Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 V 92



100 V 92

23. Urteil vom 8. Mai 1974 i.S. Herzog gegen Schweizerische Ausgleichskasse
und Rekurskommission für die AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen
Regeste

    Art. 29bis Abs. 2 AHVG. Die Bestimmungen der Art. 6 und 7 des
Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und Liechtenstein bieten
keine Grundlage zur Anrechnung der in Liechtenstein zurückgelegten
beitragslosen Ehejahre von Frauen, die nur an die schweizerische
Versicherung Beiträge geleistet haben.

Sachverhalt

    A.- Die verheiratete schweizerische Staatsangehörige Olga Herzog,
wohnhaft im Fürstentum Liechtenstein, meldete sich am 17. Februar 1972
zum Bezuge einer einfachen Altersrente der schweizerischen AHV an. In der
Zeit von November 1929 bis März 1956 war sie in der Schweiz erwerbstätig
gewesen. Mit Verfügung vom 28. Juni 1972 sprach ihr die Schweizerische
Ausgleichskasse mit Wirkung ab 1. Mai 1972 eine ordentliche einfache
Altersrente von Fr. 97.- im Monat zu, gestützt auf ein durchschnittliches
Jahreseinkommen von Fr. 10 000.-- aus 8 Jahren und 3 Monaten.

    B.- Eine hiegegen erhobene Beschwerde wurde von der Rekurskommission
für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 6. September 1973
gutgeheissen und die Verwaltung angewiesen, zusätzlich die Beitragsjahre
zu berücksichtigen, während welchen der Ehemann der Beschwerdeführerin in
der Schweiz Beiträge entrichtet hatte. Die Beschwerdeführerin verfüge damit
über 21 Beitragsjahre (1948-1968), was zu einer Rente gemäss Skala 19 der
im Zeitpunkt des Anspruchsbeginns geltenden Teilrentenordnung berechtige.

    C.- Olga Herzog zieht diesen Entscheid an das
Eidg. Versicherungsgericht weiter mit dem Antrag, es seien auch die
beitragslosen Ehejahre, während welchen ihr Ehemann Beiträge an die
liechtensteinische Versicherung entrichtet habe, anzurechnen. In der
Begründung weist sie auf das schweizerisch-liechtensteinische Abkommen über
die AHV und Invalidenversicherung vom 3. September 1965 hin, aus welchem
sich ergebe, dass "die in Liechtenstein bezahlten Beiträge voll mit der
Schweiz zu integrieren seien". Unter Berücksichtigung der vom Ehemann an
die liechtensteinische Versicherung bezahlten Beiträge verfüge sie über
eine vollständige Beitragsdauer und habe damit Anspruch auf eine Vollrente.

    Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung beantragen
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Begründung ergibt sich,
soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die ordentlichen Renten der AHV und Invalidenversicherung gelangen
als Vollrenten oder Teilrenten zur Ausrichtung. Vollrenten erhalten
Versicherte mit vollständiger Beitragsdauer. Als vollständig gilt die
Beitragsdauer, wenn der Versicherte vom 1. Januar des der Vollendung des
20. Altersjahres folgenden Jahres bis zur Entstehung des Rentenanspruches
während der gleichen Anzahl von Jahren wie sein Jahrgang Beiträge geleistet
hat (Art. 29bis Abs. 1 AHVG). Bei unvollständiger Beitragsdauer besteht
Anspruch auf eine Teilrente entsprechend dem gerundeten Verhältnis
zwischen den vollen Beitragsjahren des Versicherten und denjenigen seines
Jahrganges (Art. 38 Abs. 2 AHVG). Innerhalb der anwendbaren Rentenskala
(Art. 52 AHVV) bestimmt sich der Rentenbetrag nach dem durchschnittlichen
Jahreseinkommen des Versicherten (Art. 30 AHVG).

    Nichterwerbstätige Ehefrauen sowie Ehefrauen, die im Betriebe des
Ehemannes mitarbeiten, ohne einen Barlohn zu beziehen, sind von der
Beitragspflicht befreit (Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG). Nach Art. 29bis
Abs. 2 AHVG werden diese beitragslosen Zeiten bei der Berechnung der
einfachen Altersrente jedoch mitgezählt.

Erwägung 2

    2.- a) Olga Herzog hat in den Jahren 1948 bis 1956 Beiträge an die
schweizerische AHV entrichtet; ihr Ehemann war ohne Unterbruch von 1948 bis
1968 versichert gewesen. Die Jahre, während welchen die Beschwerdeführerin
als nichterwerbstätige Ehefrau keine Beiträge zu entrichten hatte, sind ihr
gestützt auf Art. 29bis Abs. 2 AHVG als Beitragsjahre anzurechnen. Gemäss
vorinstanzlichem Entscheid ist die Verfügung vom 28. Juni 1972 daher in dem
Sinne zu berichtigen, dass ihre Altersrente auf Grund einer Beitragszeit
von 20 Jahren und 9 Monaten zu berechnen ist, was ihr Anspruch auf eine
Rente gemäss Skala 19 der im Zeitpunkt des Anspruchsbeginns gültigen
Fassung von Art. 52 Abs. 1 AHVV gibt.

    b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Olga Herzog,
bei der Rentenberechnung seien auch die vom Ehemann seit Oktober 1968
in Liechtenstein zurückgelegten Beitragszeiten zu berücksichtigen. Die
Beschwerdeführerin stützt sich dabei auf das Abkommen zwischen der Schweiz
und Liechtenstein über die AHV und Invalidenversicherung vom 3. September
1965. Dessen Art. 6. Abs. 1 bestimmt, dass Angehörige des einen oder
andern Vertragsstaates, die an die obligatorischen oder freiwilligen
Versicherungen beider Staaten zusammen während mindestens eines vollen
Jahres Beiträge entrichtet haben, gegenüber den Versicherungen beider
Staaten Anspruch auf je einen Teil der ordentlichen Rente haben. Nach
Art. 7 des Abkommens erfolgt die Rentenberechnung unter Berücksichtigung
der in beiden Versicherungen zurückgelegten Beitragszeiten - soweit
sich diese nicht überschneiden - und unter Anrechnung der an beide
Versicherungen entrichteten Beiträge. Von der so festgesetzten Rente
gewährt jede Versicherung den Teil, welcher dem Verhältnis der an sie
bezahlten Beiträge zur gesamten Beitragssumme entspricht.

    Wie sich aus den erwähnten Staatsvertragsbestimmungen klar ergibt,
ist die vereinbarte Regelung der Rentenberechnung lediglich in Fällen
anwendbar, in denen der Rentenberechtigte Beiträge an die Versicherungen
beider Staaten geleistet hat. Die Beschwerdeführerin, welche zu keinem
Zeitpunkt Beiträge an die liechtensteinische Versicherung entrichtet hat,
kann sich daher nicht auf das Sozialversicherungsabkommen berufen, um
die Anrechnung der in Liechtenstein zurückgelegten beitragslosen Zeiten
zu begründen. Wie die Verwaltung zutreffend darlegt, beschränkt sich ihr
Anspruch auf eine rein schweizerische Rente, die ausschliesslich nach
den Bestimmungen des schweizerischen Rechts zu berechnen ist.

    c) Aus Art. 29bis Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 lit. b
AHVG ergibt sich, dass eine Anrechnung von beitragslosen Ehejahren nur
erfolgen kann, wenn und solange die Ehefrau im Sinne der Art. 1 und 2 AHVG
versichert ist. Mit ihrer Ausreise nach Liechtenstein im Herbst 1968 ist
die Beschwerdeführerin aus der schweizerischen Versicherung ausgeschieden,
ohne in der Folge der freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer
beizutreten. Die in Liechtenstein zurückgelegten beitragslosen Jahre
können bei der Berechnung der Rente nach schweizerischem Recht daher
nicht berücksichtigt werden.

    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin vermag die
staatsvertragliche Vereinbarung mit dem Fürstentum Liechtenstein hieran
nichts zu ändern. Das Sozialversicherungsabkommen strebt zwar eine
Integration der beiden Versicherungen an: Wie der Bundesrat bereits in
seiner Botschaft zum inzwischen ersetzten Abkommen vom 10. Dezember 1954
ausgeführt hat (vgl. BBl 1955 I 167), sollen Angehörige des einen Staates,
die Wohnsitz im anderen Staat haben, nicht genötigt sein, der freiwilligen
Versicherung des Heimatstaates beizutreten, um Versicherungslücken
zu vermeiden. Diese Absicht hat indessen keine staatsvertragliche
Konkretisierung erfahren hinsichtlich der im vorliegenden Fall zu
beurteilenden Frage, ob beitragslose Zeiten von Ehefrauen, die nur im
andern Vertragsstaat Beiträge entrichtet haben, bei der Berechnung der
einfachen Altersrente zu berücksichtigen seien.

    Es kann nicht Sache des Richters sein, diesem Umstand durch eine
vom Wortlaut abweichende Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen
Rechnung zu tragen. Einer sinngemässen Anwendung der für "gemischte"
Renten gemäss Staatsvertrag geltenden Regelung steht der allgemeine
Rechtsgrundsatz entgegen, dass Landesrecht durch zwischenstaatliches
Recht nur derogiert werden kann, wenn eine Staatsvertragsbestimmung dies
ausdrücklich vorschreibt oder sich die Abweichung vom innerstaatlichen
Recht aus dem gegenseitigen Willen der Vertragsparteien klar ergibt. Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.