Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IV 98



100 IV 98

26. Urteil des Kassationshofes vom 19. April 1974 i.S. Bienz gegen
Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt Regeste

    1.  Voraussetzungen, unter denen die gemäss Art. 35 Abs. 3 SSV durch
Signal Nr. 321 (Parkplatz mit Parkuhr) angezeigte Beschränkung der Parkzeit
vor Art. 37 Abs. 2 BV standhält (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2).

    2.  Der Strafrichter ist unter gewissen Voraussetzungen zur Ü
berprüfung der Rechtsbeständigkeit - unter Ausschluss der Angemessenheit -
einer Verwaltungsverfügung (hier: Parksignalisation) befugt (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 8. Juni 1973 parkierte Erich Bienz seinen Personenwagen während
ungefähr zwei Stunden auf einem mit einem Parkingmeter und dem Signal
Nr. 321 versehenen Parkfeld in der öffentlichen Parkgarage Elisabethen in
Basel, ohne die vorgeschriebene Gebühr von Fr. 0.50 pro Stunde zu bezahlen.

    B.- Der Polizeigerichtspräsident von Basel-Stadt verurteilte ihn
wegen vorschriftswidrigen Parkierens in Anwendung von Art. 27 Abs. 1 und
90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 3 SSV zu einer Busse von
Fr. 20.-.

    Eine gegen diesen Entscheid beim Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt eingereichte Beschwerde wurde am 29. Januar 1974 abgewiesen.

    C.- Bienz führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt vorfrageweise
Überprüfung der Verfassungsmässigkeit (Art. 37 Abs. 2 BV) des
appellationsgerichtlichen Urteils und der Rechtsbeständigkeit der
baselstädtischen Verordnung über den Strassenverkehr sowie Rückweisung
der Sache zum Freispruch.

    Das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt beantragt, die
Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Soweit Bienz die Auslegung von Art. 37 Abs. 2 BV zum selbständigen
Gegenstand der Beschwerde erhebt (Verfassungsmässigkeit der Erhebung von
Gebühren für die Benützung von Strassen und Parkflächen), ist er nicht
zu hören. Hiefür ist die staatsrechtliche Beschwerde gegeben.

Erwägung 2

    2.- Mit der Nichtigkeitsbeschwerde kann die Verfassungsmässigkeit eines
Entscheides nur als Vorfrage zu einer die Anwendung von eidgenössischem
Verordnungsrecht beschlagenden Hauptfrage aufgeworfen werden. Eine
vorfrageweise Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Art. 27 SVG scheidet
nach Art. 113 Abs. 3 BV zum vornherein aus. Art. 35 Abs. 3 SSV, der auf
der Delegationsnorm des Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1
SVG beruht, kann auf seine Übereinstimmung mit der Bundesverfassung hin
überprüft werden, sofern die genannten Gesetzesbestimmungen den Bundesrat
nicht ermächtigen, in der Verordnung von der Verfassung abzuweichen (BGE 99
I b 165, 94 I 397 mit Verweisungen). Da dies nicht der Fall ist, steht es
dem Kassationshof zu, vorfrageweise zu prüfen, ob Art. 35 Abs. 3 SSV sich
im Rahmen des Art. 37 Abs. 2 BV halte. Die Frage wurde vom Bundesgericht
bereits dahin entschieden, dass die Erhebung von Parkingmetergebühren mit
Art. 37 Abs. 2 BV vereinbar sei, sofern in angemessenem Abstand von den
gebührenpflichtigen Parkflächen Parkplätze vorhanden sind, auf denen die
Fahrzeuge unentgeltlich abgestellt werden können (BGE 89 I 541, 94 IV 31).

    a) Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was das Bundesgericht
veranlassen könnte, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Zudem
bestreitet er nicht, dass in angemessener Entfernung von der Parkgarage
Elisabethen gebührenfreie Parkplätze vorhanden sind. Da die Zunahme der
Motorfahrzeuge in den Stadtzentren bereits für den rollenden Verkehr
schwierige Platzverhältnisse bringt, wäre übrigens der Begriff der
angemessenen Entfernung nicht so eng zu fassen, dass das Gemeinwesen
schon in unmittelbarer Nähe gebührenpflichtiger Parkfelder unentgeltliche
Abstellplätze schaffen müsste. Sodann hat das Bundesgericht in BGE 89 I
540 erkannt, dass, wenn auch der Begriff des Verkehrs in Art. 37 Abs. 2
BV nicht nur den rollenden, sondern innerhalb gewisser Grenzen auch
den ruhenden Verkehr umfasst, das Verbot der Gebührenerhebung seinem
Sinne nach nur für Strassenflächen gilt, die auch oder ausschliesslich
dem rollenden Verkehr offen stehen; das treffe nicht zu für die als
Parkfelder mit Parkuhren ausgeschiedenen Teile des Strassengebietes. Um
solche von der dem rollenden Verkehr zustehenden Strassenfläche getrennte
Parkplätze handelt es sich aber bei den Parkfeldern in der öffentlichen
Parkgarage Elisabethen. Aus demselben Grunde hilft dem Beschwerdeführer
auch der Hinweis auf BGE 98 IV 270 nicht, wo Bedenken geäussert wurden
wegen der Erhebung einer Abgabe von Fr. 40.- für die Benützung eines
"Allmendparkplatzes". Dort ging es um Parkflächen auf sonst dem rollenden
Verkehr zustehenden Strassenflächen, die auch nicht mit Parkuhren versehen
waren. Hier aber stehen Parkfelder in Frage, die ausserhalb der Strasse
angelegt wurden, um diese für den rollenden Verkehr freizuhalten.

    b) Der Einwand, es sei unzulässig, aus einer mit staatlichen Mitteln
erstellten Verkehrsanlage "Profit zu schlagen", ist mutwillig. Die
angefochtene Ordnung verfolgt offensichtlich einen verkehrsrechtlichen,
nicht einen fiskalischen Zweck, worauf schon die geringe Höhe der
Parkgebühr von Fr. 0.50 pro Stunde hinweist. Bereits 1955 (BGE 811 191)
hat das Bundesgericht eine Gebühr von Fr. 0.70 pro Stunde als bescheiden
bezeichnet. Umsomehr trifft das in Berücksichtigung der inzwischen
eingetretenen Geldentwertung auf die Gebühr zu, die der Beschwerdeführer
hätte entrichten sollen.

    c) Mit dem Vorbringen, es seien die vormals reservierten untersten
Geschosse der Parkgarage Elisabethen nach dem Urteil BGE 98 IV 270
wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, jedoch den früheren
Dauermietern Spezialbewilligungen für gebührenfreies Parkieren erteilt
worden, ist der Beschwerdeführer nicht zu hören. Diese Rüge betrifft
nicht mehr die Verfassungsmässigkeit des Art. 35 Abs. 3 SSV, sondern
die angeblich ungleiche Anwendung von Art. 27 SVG. Rechtsungleichheit
in der Anwendung einer bundesrechtlichen Vorschrift ist jedoch mit der
staatsrechtlichen Beschwerde zu rügen.

    Übrigens ginge der Einwand fehl. Wie sich aus der Vernehmlassung des
Polizeidepartements ergibt, ist zwar die Dauerbenützung durch Bezahlung
einer Pauschale möglich. Diese Zahlungserleichterung steht jedoch jedermann
offen und entbindet den Berechtigten nur von der Pflicht zur Bedienung des
Parkingmeters. Zudem kann auch der Benützer der Parkuhr auf unbegrenzte
Dauer vom belegten Parkfeld Gebrauch machen, sofern er die Uhr nach
Ablauf wieder in Gang setzt (§ 2 der Polizeilichen Vorschriften über
die Benützung der Parkgaragen Elisabethen und Steinen vom 7. Mai 1973,
Kantonsblatt vom 9. Mai 1973).

Erwägung 3

    3.- Das Appellationsgericht hat bei der Prüfung der gesetzlichen
Grundlagen für eine Parkzeitbeschränkung durch Parkingmeter auch auf
die kantonale Verordnung (VO) über den Strassenverkehr vom 7. Dezember
1964 verwiesen und festgestellt, dass deren § 10 das Polizeidepartement
zum Erlass von Vorschriften über das gebührenpflichtige Parkieren mit
Parkuhren ermächtige, was mit Bezug auf das Parkhaus Elisabethen am 7. Mai
1973 geschehen sei.

    a) Bienz wirft dem Appelationsgericht vor, es habe willkürlich nicht
geprüft, ob für die VO des Regierungsrats eine gesetzliche Grundlage
bestehe. Solche auf Art. 4 BV gestützte Rügen können jedoch mit der
Nichtigkeitsbeschwerde nicht vorgebracht werden.

    b) Weiter macht der Beschwerdeführer gelten d, die Vorinstanz
habe in ihrem Entscheid vom 3. Oktober 1969 (= BJM 1969 238), mit dem
sie die kantonale Taxiverordnung als verfassungswidrig erklärt habe,
selber festgehalten, dass Art. 3 SVG zwar den Kantonen im Rahmen des
Bundesrechts die Strassenhoheit überlasse, dass aber entsprechende
Erlasse nicht gestützt auf das eidgenössische Strassenverkehrsgesetz,
sondern kraft kantonaler Gesetzeskompetenz ergingen. Dasselbe müsse auch
hier gelten. Da indessen nach der Kantonsverfassung die Gesetzgebung beim
Grossen Rat liege, während dem Regierungsrat bloss die Vollziehung und
Handhabung der Gesetze zustehe (§§ 30, 39 lit. b und 42 KV-BS), stelle
die Delegation der Rechtssetzungsbefugnis im vorliegenden Fall einen
Verstoss gegen den verfassungsmässigen Grundsatz der Gewaltentrennung dar.

    Diese Rüge kann nicht selbständigen Gegenstand einer
Nichtigkeitsbeschwerde bilden. So aber wird sie vom Beschwerdeführer
vorgebracht; jedenfalls stellt er sie nicht ausdrücklich in den
Zusammenhang mit der Frage nach der Rechtsgültigkeit der Signalisation
im Parkhaus Elisabethen.

    Wollte man annehmen, der Einwand schliesse sinngemäss die Rüge
der Ungültigkeit der Signalisation in sich und es wäre deshalb die
Verfügung des Polizeidepartements vom 7. Mai 1973 vorfrageweise auf
ihre Rechtsbeständigkeit (unter Ausschluss der Angemessenheit) zu prüfen
(BGE 98 IV 111, 266; 99 IV 166), so würde er nicht durchdringen.

    Zwar hängt die Gültigkeit einer Allgemeinverfügung, wie sie hier in
Frage steht, u.a. von der Zuständigkeit der sie erlassenden Behörde ab
(BG E 99 IV 167). Da das Polizeidepartement seine Kompetenz aus § 10
der VO des Regierungsrats über den Strassenverkehr herleitet, dessen
Befugnis zum Erlass der VO aber vom Beschwerdeführer bestritten wird,
ist letztlich die Rechtsgültigkeit der Verfügung vom 7. Mai 1973 durch
den Bestand einer Abfolge von Zuständigkeiten bedingt, die mit derjenigen
des Regierungsrats beginnt. Diese aber ist gegeben.

    Das SVG enthält selber die grundlegenden Bestimmungen über die
zeitliche Beschränkung des Parkierens auf entsprechend signalisierten
(Signal Nr. 321) gebührenpflichtigen Parkplätzen (Art. 35 Abs. 3 und
4 SSV) sowie über die Beachtung solcher Signale (Art. 27 SVG) und die
Ahndung von Widerhandlungen gegen signalisierte Verkehrsgebote oder
-verbote (Art. 90 SVG). Die vom Regierungsrat erlassene VO über den
Strassenverkehr stellt deshalb in diesem Umfang keine Gesetzesverordnung
dar, die den Bestand einer Ermächtigung durch ein kantonales Gesetz
voraussetzen würde. Vielmehr ist sie eine Vollziehungsverordnung und
unterscheidet sich damit grundlegend von der kantonalen Taxiverordnung;
denn diese wurde vom Appellationsgericht als verfassungswidrig erklärt,
weil das SVG keine Bestimmungen über Taxiunternehmen enthält (s. BGE 99
I a 391) und es überdies auch an einem entsprechenden kantonalen Gesetz
bzw. an einer besonderen Ermächtigung des Regierungsrats zum Erlass einer
gesetzesvertretenden VO fehlte. Da es sich bei den hier in Frage stehenden
Vorschriften für das Parkieren von Transportmitteln (§§ 10 ff. der VO über
den Strassenverkehr) um eigentliche Ausführungsbestimmungen handelt, war
der Regierungsrat zu ihrem Erlass kraft der allgemeinen Zuständigkeitsnorm
des § 42 KV des Kantons Basel-Stadt befugt, die ihn mit der Vollziehung
und der Handhabung der Gesetze sowie mit dem Erlass der erforderlichen
Verordnungen und Beschlüsse beauftragt (SR 131.222.1 S. 9). In diesen
Ausführungsbestimmungen durfte er aber auch die konkrete Ordnung des
Parkierens an Ort und Stelle dem Polizeidepartement übertragen (§ 2
Abs. 3 des Polizeistrafgesetzes BS). Das ist in § 10 der VO über den
Strassenverkehr geschehen.

    Da der Beschwerdeführer selber nicht geltend macht, dass die
vom Polizeidepartement darauf gestützte Verfügung vom 7. Mai 1973
betreffend das gebührenpflichtige Parkieren im Parkhaus Elisabethen
nicht in den gesetzlich vorgeschriebenen Formen erlassen wurde (§ 3 des
Polizeistrafgesetzes BS, BGE 99 IV 167), noch dass sie den Rahmen von §'lo
der VO über den Strassenverkehr überschreite, ist ihre Rechtsbeständigkeit
erstellt.

    4. -- Somit wurde Bienz zu Recht wegen Übertretung von Art. 27 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG bestraft. Die Strafbestimmungen des
kantonalen Polizeistrafgesetzes waren nicht anzuwenden. Art. 3 Abs. 1 SVG
gewährleistet die Strassenhoheit der Kantone "im Rahmen des Bundesrechtes".
Weil dieses die Materie im wesentlichen selber regelt, war es insoweit
ausschliesslich anwendbar.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.