Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IV 56



100 IV 56

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. März 1974
i.S. Rochelt gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste

    Art. 288 StGB; Bestechung.

    1.  Das Versprechen, dem zu Bestechenden den Vorteil durch Dritte
zukommen zu lassen, ist ebenfalls strafbar (Erw. 2 a).

    2.  Dass der Täter und der zu Bestechende den Vorteil für realisierbar
halten und letzterer bereit ist, pflichtwidrig zu handeln, ist nicht
erforderlich; es genügt, dass der Bestecher mit der Möglichkeit rechnet,
mit dem Versprechen den andern beeinflussen zu können (Erw. 2 a).

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Als Dr. Adolf Rochelt am 9. September 1967 bei Schaanwald FL das
schweizerische Zollgebiet betreten wollte, wurden in seinem Auto etwa 100
kg nicht verzollte Statuen gefunden. Mit der Durchführung des hierauf durch
die Zolluntersuchungsstelle Buchs eröffneten Strafverfahrens wegen Zoll-
und Warenumsatzsteuerhinterziehung wurde Christian Lippuner betraut.

    Anlässlich der am 4. Oktober 1967 erfolgten Einvernahme erklärte Dr.
Rochelt sinngemäss, er werde, falls Lipuner den Vorfall im Schaanwald
abschliesse, d.h. die Untersuchung nicht auf andere Vorfälle erweitere,
dafür sorgen, dass für diesen eine Beförderung in kürzester Frist in
Aussicht stehe; er verfüge nämlich in Bern und Wien über Verbindungen bis
in die allerhöchsten Stellen. Wenn Lippuner nicht wolle, lasse er seine
Beziehungen in umgekehrter Richtung spielen. Mit erhobenem Zeigefinger rief
er dem Untersuchungsbeamten zu, er (Lippuner) werde noch an ihn denken.

    B.- Am 24. Juni 1971 verurteilte das Bezirksgericht Werdenberg
Dr. Rochelt wegen Bestechung und übler Nachrede zu vier Wochen Gefängnis,
bedingt vollziehbar, zu einer Busse von Fr. 300.-- und verpflichtete ihn,
an den Privatkläger eine Genugtuungssumme von Fr. 500.-- zu bezahlen.

    Im Berufungsverfahren liess das Kantonsgericht Sankt Gallen die
Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten begutachten und fand ihn durch Urteil
vom 26. Juni 1973 der Bestechung und der üblen Nachrede schuldig, billigte
ihm verminderte Zurechnungsfähigkeit zu, verurteilte ihn zu einer Busse
von Fr. 1000.--, bedingt löschbar nach Ablauf einer Probezeit von einem
Jahr, und wies die Genugtuungsforderung ab.

    C.- Hiegegen führt Rochelt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
die Verurteilung und den Kostenspruch des Kantonsgerichtes aufzuheben und
ihn von Schuld und Strafe freizusprechen, eventuell die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht
des Kantons St. Gallen am 31. Januar 1974 ab, soweit es darauf eintreten
konnte.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Dr. Rochelt macht zunächst geltend, es liege keine Bestechung vor,
weil Lippuner erkannte oder erkennen musste, dass sein Angebot leeres
Geschwätz war. Massgebend sei, ob nach Ansicht des zu bestechenden Beamten
das Angebot geeignet wäre, eine Amtspflichtverletzung herbeizuführen;
wenn ein Ausländer einem schweizerischen Zollbeamten eine Beförderung
ausserhalb der üblichen Beförderungsbedingungen verspreche, sei dieses
Angebot nicht geeignet, eine Amtspflichtverletzung zu bewirken.

    a) Der Bestechung im Sinne von Art. 288 StGB macht sich schuldig,
wer einem Beamten usw. ein Geschenk oder einen Vorteil anbietet,
verspricht, gibt oder zukommen lässt, damit er seine Amts- oder
Dienstpflicht verletze. Mit Recht sieht die Vorinstanz diesen Tatbestand
durch die Äusserung des Beschwerdeführers erfüllt, er werde vermöge
seiner Verbindungen bis in die höchsten Stellen in Bern und Wien dafür
sorgen, dass für Lippuner innert kürzester Frist eine Beförderung in
Aussicht stehe, wenn dieser den Fall mit der Begebenheit im Schaanwald
abschliesse. Als Untersuchungsbeamter in einer Fiskalstrafsache war
Lippuner Beamter im Sinne von Art. 110 Ziff. 4 StGB. Der angebotene Vorteil
bestand in einer Beförderung innert kürzester Frist. Freilich versprach der
Beschwerdeführer nicht, er selber werde Lippuner befördern. Er versprach
aber, seine Verbindungen, die er bis in die höchsten Stellen habe, spielen
zu lassen, diesen Vorteil also Lippuner durch Dritte zukommen zu lassen,
was nach Gesetz ebenfalls strafbar ist. Dass der Täter das Versprechen
erfüllen will oder an die Möglichkeit glaubt, dieses Versprechen erfüllen
zu können, ist nicht erfordert. Es genügt, dass er mit der Möglichkeit
rechnet, mit einem solchen Versprechen den Beamten beeinflussen zu
können. Als Gegenleistung hätte Lippuner, entgegen seiner Amtspflicht,
die Fahndung nach weitern Fiskaldelikten unterlassen sollen. Dass der
Beschwerdeführer mit der Äusserung tatsächlich eine Beförderung in Bern
in Aussicht stellen wollte, wenn Lippuner weitere strafbare Handlungen
verschweige, hat die Vorinstanz verbindlich festgestellt. Mit diesem
Angebot war der Tatbestand erfüllt, auch wenn der Beamte dem Versprechen
nicht glaubte oder nicht bereit war, pflichtwidrig zu handeln.

    Es ist also nicht erforderlich, dass der Bestecher und der Beamte
den Vorteil für realisierbar halten, wie der Beschwerdeführer meint. Es
genügt, dass der Bestecher im Sinne des dolus eventualis annimmt, der
Beamte rechne möglicherweise mit dem Vorteil und lasse sich allenfalls
dadurch beeinflussen. Erfolg muss der Bestecher mit seinem Vorhaben beim
Beamten nicht haben, weil Art. 288 StGB überhaupt nicht die Reaktion des
Beamten auf das Ansinnen des Täters erfasst.

    b) Im angefochtenen Urteil schliesst die Vorinstanz nicht aus, dass
der Beschwerdeführer die Bestechung vielleicht unterlassen hätte, wenn er
nicht durch eine momentane Unterzuckerung psychisch beeinträchtigt gewesen
wäre. Damit steht lediglich fest, dass er Lippuner tatsächlich bestechen
wollte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war Dr. Rochelt anlässlich
der Tat lediglich vermindert zurechnungsfähig, also strafrechtlich
verantwortlich. Ob sein Ansinnen realistisch war, ist unerheblich. Eine
unrichtige Einschätzung der Wirklichkeit als Folge verminderter
Zurechnungsfähigkeit vermag folglich, entgegen den Ausführungen des
Beschwerdeführers, den Tatbestand der Bestechung nicht auszuschliessen.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.