Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IV 258



100 IV 258

65. Urteil des Kassationshofes vom 26. August 1974 i.S. X. gegen
Polizei-Inspektorat Basel-Stadt. Regeste

    Art. 91 Abs. 3 SVG; Vereitelung der Blutprobe.

    1.  Diese Bestimmung erfasst nicht nur die Fahrzeugführer, sondern
alle Personen, die sich auf Grund von Art. 55 Abs. 1 SVG einer Blutprobe
unterziehen müssen (Erw. 3).

    2.  Zur Vereitelung der Blutprobe genügt, dass der Täter mit
einer solchen rechnete oder rechnen musste (Erw. 4, Bestätigung der
Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Am 9. Dezember 1972 genossen X., Y. und Z. zwischen Mittag und 19
Uhr in zwei Basler Restaurants reichlich Alkohol. Anschliessend begaben sie
sich zum Personenwagen von X., um gemeinsam nach Aesch zu fahren und dort
noch etwas zu trinken. Alle drei standen unter erheblichem Alkoholeinfluss.

    Y., der keinen Führerausweis besass, steuerte das Fahrzeug, während X.
neben ihm Platz nahm. In einer Rechtsbiegung verlor Y. die Herrschaft
über den Wagen. Dieser gelangte nach Überquerung einer Schutzinsel in
der Strassenmitte auf die Gegenfahrbahn und anschliessend wieder auf die
rechte Seite. X. griff dem Lenker korrigierend ins Steuer. Beim Überfahren
der Schutzinsel riss der Wagen die vorne angebrachten Wegweisertafeln aus
ihrer Verankerung, so dass sie auf die Fahrbahn geschleudert wurden. Ohne
anzuhalten fuhr Y. mit Zustimmung von X. nach Aesch weiter.

    Auf dieser Fahrt verfolgte sie ein anderer Automobilist. Als sie
wegen eines Rotlichts anhielten, klopfte er an ihre Fensterscheibe. Weder
Y. noch X. reagierten; sie setzten ihre Fahrt fort, obwohl die Ampel auf
Rot geschaltet war.

    In Aesch genossen alle drei in einem Restaurant erneut alkoholische
Getränke. Anschliessend wurde die Fahrt nach Therwil fortgesetzt, wo Z.
ausstieg. Nachdem Y. in Oberwil das Fahrzeug verlassen hatte, führte X.
seinen Wagen selber nach Basel.

    B.- Mit Urteil des Strafgerichtspräsidenten Basel-Stadt vom 25. Oktober
1973 wurde X. der groben Verletzung von Verkehrsregeln (Motorfahrenlassen
in angetrunkenem Zustand), des Fahrens in angetrunkenem Zustand, der
Vereitelung der Blutprobe, des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall, des
Motorfahrenlassens ohne gültigen Fahrausweis sowie der Diensterschwerung
schuldig erklärt und in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG und weiterer
Bestimmungen zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 40 Tagen verurteilt.

    Auf Appellation von X. änderte das Appellationsgericht Basel-Stadt am
15. Mai 1974 das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass dem Verurteilten
für die Freiheitsstrafe der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit
von drei Jahren gewährt und ihm zusätzlich eine Busse von Fr. 500.--
auferlegt wurde.

    C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Appellationsgerichtes aufzuheben, soweit er wegen Vereitelung der Blutprobe
schuldig erklärt werde, und die Sache zur Freisprechung in diesem Punkt
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Polizeidepartement Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer macht geltend, auf der Unglücksfahrt von
Basel nach Aesch habe ausschliesslich Y. den Personenwagen geführt. Dieser
sei zu Recht wegen Vereitelung der Blutprobe verurteilt worden. Y. habe
sich aus eigenem Antrieb durch Führerflucht der Verantwortung und auch
der Blutprobe entziehen wollen. Der Beschwerdeführer sei in seinem
alkoholisierten Zustand auch gar nicht in der Lage gewesen, auf den
Entschluss des Fahrzeugführers einzuwirken. Er stellt sich auf den
Standpunkt, dass allein der Fahrzeugführer, nicht auch der Mitfahrer
wegen Vereitelung der Blutprobe im Sinne von Art. 91 Abs. 3 SVG bestraft
werden könne. Diese Auffassung stützt er auf den Randtitel des Art. 91
SVG und die Rechtsprechung zu dieser Gesetzesbestimmung. Ferner sei das
rein passive Verhalten des Beschwerdeführers nicht daraus zu erklären,
dass er mit einer Blutprobe habe rechnen müssen, da er ja von ihr nichts
zu befürchten gehabt habe. Er habe nur aus Furcht, den Führerausweis zu
verlieren, weil er das Fahrzeug einem angetrunkenen Kollegen überliess,
nicht eingegriffen.

Erwägung 2

    2.- Verschiedene Behauptungen des Beschwerdeführers stehen im Gegensatz
zu den für den Kassationshof gemäss Art. 277 bis BStP verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz. Danach war der Beschwerdeführer nicht so
sehr betrunken, dass er die Lage nicht mehr hätte realisieren können. Auch
war er sich des Unfallgeschehens durchaus bewusst. Aus Angst, es werde
ihm wegen des vorangegangenen Alkoholkonsums der Führerausweis entzogen,
war er stillschweigend einverstanden, möglichst schnell und heimlich von
der Unfallstelle zu verschwinden.

Erwägung 3

    3.- Art. 91 Abs. 3 SVG stellt das Verhalten desjenigen unter Strafe,
der eine Blutprobe verhindert. Trotz des Randtitels, dessen Ungenauigkeit
während der Vorarbeiten zum Gesetz anerkannt worden war, fallen nicht
nur die Fahrzeugführer unter diese Bestimmung (BUSSY und RUSCONI,
Code suisse de la circulation routière, N. 1 und 8 zu Art. 91; SCHULTZ,
Strafbestimmungen des SVG, S. 201). Vielmehr sind alle Personen erfasst,
die sich auf Grund von Art. 55 Abs. 1 SVG einer Blutprobe unterziehen
müssen. Dazu gehören neben dem Fahrzeugführer auch alle anderen am Unfall
beteiligten Strassenbenützer.

    Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Unfalles Mitfahrer war,
ist somit nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob er am
Unfallgeschehen beteiligt war oder nicht. Die Mitfahrereigenschaft an sich
sagt nichts darüber aus, ob Art. 91 Abs. 3 SVG anwendbar ist, wie man
auf Grund von Art. 51 Abs. 2 SVG und 54 Abs. 1 VRV meinen könnte (BUSSY
und RUSCONI, op.cit., N. 1.5 i.f. zu Art. 51; SCHULTZ, op.cit., S. 214).

    Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist an einem Unfall beteiligt, wer in
irgendeiner Weise am Unfallgeschehen mitgewirkt hat, unabhängig davon,
ob er den Unfall verschuldete oder auch nur verursachte (BGE 79 IV 179,
83 IV 48). Selbst eine mittelbare Mitwirkung genügt. Beteiligte sind
mithin alle diejenigen, deren Verhalten für das Zustandekommen und
deswegen auch für die Abklärung des Unfalles von Bedeutung sein kann
(SCHULTZ, op.cit., S. 214). Auf Grund dieser Definition, die genau dem
Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, unterliegt es keinem Zweifel,
dass der Beschwerdeführer am Unfall beteiligt war. Sein Verhalten zeigt
dies in mehrfacher Hinsicht. Einmal bestand zwischen dem Überlassen des
Personenwagens durch den Beschwerdeführer an den angetrunkenen Führer und
dem Unfallgeschehen ein adäquater Kausalzusammenhang. Eine solche Beziehung
zum Unfall bewirkte auch der Griff des Beschwerdeführers in das Lenkrad;
dieses Verhalten konnte ihn sogar einem Fahrzeugführer gleichstellen
(BGE 60 I 160). Ferner war er Halter des Wagens und daher haftbar.

    Demnach war der Beschwerdeführer im Sinne des Gesetzes am Unfall
beteiligt, weshalb seine Verhinderung der Blutprobe unter Art. 91 Abs. 3
SVG fällt.

Erwägung 4

    4.- Gemäss ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes bezieht sich
Art. 91 Abs. 3 SVG auf alle Fälle, in denen die Blutprobe vereitelt wird,
selbst wenn eine amtliche Anordnung derselben nicht erfolgt ist. Es genügt,
dass der Täter nach den Umständen des Falles mit einer Blutprobe rechnete
oder rechnen musste (BGE 95 IV 144 und 90 IV 94). Dass der Beschwerdeführer
eine solche Massnahme erwartet hatte, ergibt sich aus dem vorinstanzlichen
Urteil. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass er subjektiv erkannt
habe, die Polizei würde wahrscheinlich eine Blutprobe anordnen. Das ist
eine tatsächliche Feststellung, die den Kassationshof bindet (Art. 277
bis BStP).

    Da der Beschwerdeführer das Fahrzeug nicht verliess, als es mit
abgestelltem Motor vor dem Rotlicht der Kreuzung Heiligholz stillstand,
und da er auch beim Halt in Aesch sich nicht der Polizei stellte, muss
geschlossen werden, dass er die gemeinsame Flucht mit Y. billigte. Damit
hat er die Blut-. probe im Sinne des Gesetzes vereitelt.

    Demgemäss ist der Beschwerdeführer zu Recht nach Art. 91 Abs. 3 SVG
verurteilt worden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.