Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IV 238



100 IV 238

61. Urteil des Kassationshofes vom 20. September 1974 i.S. Eheleute
Eberhard gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 253 StGB.

    1.  Erschleichung einer falschen Beurkundung, begangen durch
Vortäuschung und Überbewertung güterrechtlicher Vermögenswerte in zwei
Eheverträgen anlässlich der öffentlichen Verurkundung der zwischen den
Ehegatten vereinbarten Gütertrennung (Erw. 1-4).

    2.  Der Gebrauch einer gemäss Art. 253 Abs. 1 StGB erschlichenen
falschen Urkunde durch denjenigen, der sie erschlichen hat, ist straflose
Nachtat (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Rolf und Monika Eberhard-Neuenschwander heirateten am 22. September
1956. Sie standen unter dem gesetzlichen Güterstand der Güterverbindung,
bis sie durch Eheverträge vom 17. September 1963 und vom 5. April 1966
Gütertrennung vereinbarten und den Registereintrag veröffentlichten. Diese
vertragliche Gütertrennung wurde mit Ausstellung von Konkursverlustscheinen
gegen Rolf Eberhard durch die gesetzliche Gütertrennung im Sinne
von Art. 182 und 186 ZGB abgelöst, die am 7. Juli 1970 ins Register
eingetragen wurde.

    Die Eheleute Eberhard haben beim Abschluss des ersten Ehevertrages
vor Notar Schmitz in Thun und sodann beim zweiten Ehevertrag vor Notar
Keller in Langnau die folgenden Vermögensgliederungen falsch angegeben:

    a) Ehevertrag vom 17. September 1963

    -  Hausrat Fr. 20 000.--. Dieser gesamthaft der Ehefrau zugeschriebene
Hausrat stammte nur zum kleinen Teil von ihr selber.

    - Reinvermögen von Fr. 20 000.-- der Einzelfirma Rolf Eberhard,
Hünibach. Da diese Einzelfirma nie eigentlich tätig war, wurde der Betrag
vorgetäuscht.

    - Fahrzeuge. Obschon der mit einem Wert von Fr. 10 500.-- angegebene
Personenwagen Chevrolet aus dem Verdienst der Ehefrau stammte, wurde er
im ursprünglichen Ehevertrag als Eigentum des Ehemannes angesprochen.

    - Barbetrag von Fr. 41 000.-- zu Gunsten der Ehefrau. Dieser bezifferte
sich in Wirklichkeit auf Fr. 12 000.--, was den Wert eines von ihr
gekauften Motorbootes darstellt; die übrigen Beträge wie Einlagen in die
Einzelfirma des Ehemannes in Hünibach und Anschaffung eines Personenwagens
Citroen hat sie nie geleistet. b) Ehevertrag vom 5. April 1966

    Der Hausrat wurde grundlos und nicht wahrheitsgemäss um Fr. 10 000.--
auf Fr. 30 000.-- erhöht und gesamthaft der Ehefrau zugeschrieben.

    Fahrzeuge. Der Wert der von der Ehefrau finanzierten Personenwagen
wurde mit Fr. 14 000.-- angegeben. In Wirklichkeit hatte sie nur den
Chevrolet im Werte von Fr. 10 500.-- aus ihrem Verdienst gekauft.

    Ein der Ehefrau gehörender Wertschriftenbetrag von Fr. 13 000.--
war vorgetäuscht.

    Die Darlehensforderung der Ehefrau von Fr. 41 000.-- gegenüber ihrem
Ehemann im ersten Ehevertrag vom 17. September 1963 wurde im neuen Vertrag
auf Fr. 30 000.-- herabgesetzt. Wie oben bereits ausgeführt, betrug die
Forderung der Ehefrau lediglich Fr. I 2000.--.

    Das Geschäftsguthaben von Fr. 30 000.-- zugunsten des Ehemannes
existierte nicht, da stets eine Unterbilanz vorhanden war.

    Im Konkurs des Rolf Eberhard beanspruchte die Ehefrau mit Eingabe
vom 18. Februar 1969 den gesamten Hausrat und die Darlehensforderung
von Fr. 30 000.--, indem sie sich auf den zweiten Ehevertrag vom 5. April
1966 stützte.

    B.- Am 20. November 1973 erklärte der Gerichtspräsident von Signau
Rolf und Monika Eberhard schuldig der Erschleichung falscher Beurkundungen
gemäss Art. 253 StGB in den Eheverträgen von 1963 und 1966, die Ehefrau
zudem des Gebrauchs falscher Urkunden (Ehevertrag von 1966) in ihrer
Eingabe vom 18. Februar 1969. Er verurteilte sie zu je 10 Tagen Gefängnis
unter Aufschub des Strafvollzuges bei einer Probezeit von zwei Jahren.

    Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 29. Januar 1974 das
erstinstanzliche Urteil.

    C.- Die Eheleute Eberhard führen Nichtigkeitsbeschwerde.
Sie beantragen Freisprechung.

    D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Erschleichung falscher Urkunden im Sinne des Art. 253 StGB
macht sich schuldig, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder
eine Person des öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache
unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine
unrichtige Abschrift beglaubigt.

    Die Beschwerdeführer bestreiten, dass die Eheverträge bestimmt
oder geeignet seien, die darin verheimlichten oder vorgetäuschten
güterrechtlichen Auseinandersetzungen zu beweisen. Sie sprechen damit
den Eheverträgen von 1963 und 1966 hinsichtlich dieser Punkte den
Urkundencharakter ab.

    Es ist nicht erforderlich, dass die Urkunde Beweiskraft habe, d.h. dass
sie im Einzelfall die rechtlich erhebliche Tatsache zu beweisen vermöge. Es
genügt, dass sie bestimmt oder geeignet sei, als Beweismittel verwendet
zu werden für den Nachweis der Tatsachen, die Gegenstand der Erklärung
bilden (BGE 81 IV 243).

Erwägung 2

    2.- Die unwahren Angaben betreffen rechtserhebliche Tatsachen. Denn sie
sind für die Ausscheidung von Mannes- und Frauengut und für den Bestand von
Ersatzforderungen erheblich, sei es im Falle einer güterrechtlichen oder
erbrechtlichen Auseinandersetzung, sei es in einer Zwangsvollstreckung
gegen den einen oder andern Ehegatten. Die Beschwerdeführer waren sich
dessen auch bewusst. Sie täuschten unrichtige Vermögensverhältnisse
vor, um die Ehefrau zu begünstigen für den Fall, dass dem Ehemann etwas
zustossen würde, d.h. dass es tatsächlich zu einer güterrechtlichen
Auseinandersetzung kommen sollte. Sie wussten also, dass sie durch ihre
unwahren Angaben eine rechtliche Besserstellung der Ehefrau erreichten.

Erwägung 3

    3.- Die Eheverträge waren zudem bestimmt und geeignet, die darin
vorgetäuschten Vermögensausscheidungen zu beweisen.

    Die Beschwerdeführer haben in den beiden Eheverträgen unwahre
Erklärungen abgegeben, um die güterrechtliche Begünstigung der Ehefrau
beweismässig zu untermauern. Die vorgetäuschten Erklärungen waren somit
von Anfang an zum Beweis bestimmt.

    Zur Abklärung der güterrechtlichen Vermögensverhältnisse wird
weitgehend auf die Auskünfte der betreffenden Ehegatten abgestellt. Falsche
Angaben der Eheleute zur Begünstigung des einen Teils können sich unter
Umständen zum Nachteil des andern Teils auswirken. Die Angaben der
Ehegatten schaffen deshalb eine natürliche Vermutung der Wahrheit. Sie
enthalten ein aussergerichtliches Geständnis (GULDENER, Grundzüge
der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, S. 11 oben). Solchen
Vermögensaufstellungen, die vom benachteiligten oder von beiden Ehegatten
stammen, kann daher ein Beweiswert nicht abgesprochen werden. Sie werden
vom Richter in einem Prozess, der die güterrechtliche Auseinandersetzung
zum Gegenstand hat, als Beweismittel zugelassen. Auch ohne Veröffentlichung
der güterrechtlichen Vermögensaufstellung kann der Richter in einem
Prozess über eine güterrechtliche und erbrechtliche Auseinandersetzung
oder anlässlich einer Zwangsvollstreckung solche Inventare würdigen,
sogut der nach Art. 196 Abs. 1 ZGB einem Ehegatten obliegende Beweis
der Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zum Frauengut mit allen vom
Prozessrecht zugelassenen Beweismitteln geführt werden kann, z.B. auch mit
privat errichteten Inventaren, die erst sechs Monate nach Einbringung des
Eigengutes errichtet wurden (EGGER, Art. 197 ZGB, N. 3, 5; LEMP, Art. 193
ZGB, N. 1 l'Art. 196 ZGB, N. 13; Art. 197 ZGB, N. 22, 23, 25). Soweit
solche Erklärungen keine erhöhte Beweiskraft haben, sind sie vom Richter
nach allgemeinen Beweisregeln zu würdigen. Somit waren die in den beiden
Eheverträgen abgegebenen Erklärungen der Beschwerdeführer über Bestand
und Herkunft des ehelichen Vermögens nicht leere Parteibehauptungen. Sie
eigneten sich vielmehr zur Beweisführung und waren damit Urkunden. Gerade
zum Nachweis ihrer angeblichen Ansprüche hat denn die Ehefrau auch die
Eheverträge dem Konkursamt eingereicht.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer bestreiten, den Tatbestand des Art. 253 StGB
anlässlich der öffentlichen Beurkundung der beiden Eheverträge erfüllt
zu haben.

    Die Begriffe des Beurkundens und der öffentlichen Urkunde setzen
nicht voraus, dass die Urkundsperson die festgehaltenen Tatsachen
mit eigenen Sinnen unmittelbar wahrgenommen habe. Der Notar, der eine
öffentliche Urkunde über einen Vertrag errichtet, beurkundet alle für
das Zustandekommen des Vertrages nötigen Tatsachen. Soweit er sie nicht
sinnlich unmittelbar wahrnimmt, verlässt er sich auf die Angaben der
Parteien. Er beurkundet nicht nur die Erklärungen, sondern auch den
Willen der Parteien. Der öffentlich beurkundete Vertrag ist kein blosses
Protokoll über abgegebene Erklärungen. Indem der Notar feststellt, dass
die Parteien mit dem Willen, einen Vertrag abzuschliessen, bestimmte
Erklärungen abgegeben und entgegengenommen haben, bekräftigt er daher
auch, dass diese Erklärungen mit dem Willen der Parteien übereinstimmen
und dass jede die Erklärung der andern als Ausdruck ihres wirklichen
Willens auffasst (BGE 78 IV 112).

    Unrichtig waren im vorliegenden Falle die Angaben der
Beschwerdeführer insoweit, als sie vortäuschten, die Ehegatten
würden eine güterrechtliche Auseinandersetzung nach den bestehenden
Eigentumsverhältnissen vornehmen. Der von den Beschwerdeführern simulierte
und vom Notar beurkundete Parteiwille ging auf eine gewöhnliche, den
wirklichen Eigentumsverhältnissen und den gesetzlichen Bestimmungen
entsprechende güterrechtliche Auseinandersetzung. Der wirkliche, dem
Notar und Dritten verheimlichte Vertragswille erstrebte aber eine den
wirklichen Eigentumsverhältnissen und dem Gesetz nicht entsprechende
Vermögensverschiebung zugunsten der Ehefrau. So kam es, dass der Notar
eine verheimlichte, dem wirklichen Parteiwillen nicht entsprechende
güterrechtliche Auseinandersetzung beurkundete. Die Beschwerdeführer haben
somit eine falsche Beurkundung im Sinne von Art. 253 StGB erschlichen.

Erwägung 5

    5.- Hinsichtlich der Verurteilung wegen Gebrauchs einer erschlichenen
Urkunde macht die Beschwerdeführerin geltend, die Eingabe des zweiten
Ehevertrages an das Konkursamt sei straflose Nachtat.

    Der Gebrauch einer gemäss Art. Art. 253 Abs. 1 StGB erschlichenen
falschen Urkunde durch denjenigen, der sie erschlichen hat, ist nicht
selbständig strafbar. Denn die Erschleichung einer falschen Beurkundung
schliesst sinngemäss auch den Vorsatz in sich, diese Urkunde zur Täuschung
im Rechtsverkehr zu gebrauchen. Ansonst wäre derjenige, der durch seine
täuschenden Angaben die Falschbeurkundung bewirkt und die so erschlichene
Urkunde selbst gebraucht, folgerichtig für zwei Delikte zu bestrafen (vgl.
BGE 100 IV 182 E. 3 a zu Art. 317). Art. 253 StGB unterscheidet sich in
dieser Hinsicht nicht vom allgemeinen Tatbestande der Urkundenfälschung
(Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB). Das angefochtene Urteil ist deshalb in
diesem Punkte aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Freisprechung
der Beschwerdeführerin von der Anschuldigung des Gebrauchs erschlichener
falscher Beurkundungen zurückzuweisen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Beschwerde des Rolf Eberhard wird abgewiesen.

    2.- Die Beschwerde der Monika Eberhard wird teilweise gutgeheissen
(hinsichtlich der straflosen Nachtat), das angefochtene Urteil aufgehoben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.