Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 4



100 II 4

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Februar 1974
i.S. Haag gegen Rast Regeste

    Besuchsrecht (Art. 156 ZGB). Der Richter hat im Scheidungsurteil das
Besuchsrecht dem Grundsatz und auch dem Umfang nach selbst zu ordnen. Er
darf der Vonnundschaftsbehörde lediglich die Regelung der Modalitäten
der Ausübung des Besuchsrechtes überlassen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 156 ZGB hat der Richter bei der Scheidung die nötigen
Verfügungen über die persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern
zu treffen. Der Richter hat infolgedessen das Besuchsrecht dem Grundsatze
und auch dem Umfange nach selbst zu ordnen (BGE 95 II 387 mit Hinweisen;
HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 159;
BÜHLER, Das Ehescheidungsverfahren in ZSR 74, 1955, S. 396 a ff, insb. 412
a/413 a). Die Bestimmung der Modalitäten der Ausübung des Besuchsrechtes,
wie die Festlegung des Besuchstages und der Besuchszeit, die Anordnung
allfälliger Sicherheitsmassnahmen, um einen Missbrauch des Besuchsrechtes
zu verhindern u.ä. (vgl. BGE 54 II 239/240), darf der Richter indes der
Vormundschaftsbehörde überlassen. Dagegen darf er ihr nicht die Befugnis
zu Anordnungen übertragen, die einem Entscheid über das Besuchsrecht
selbst gleichkommen. Dies würde sich mit der angeführten gesetzlichen
Bestimmung nicht vertragen.

    Die kantonalen Instanzen räumten dem Beklagten ein Besuchsrecht von
einem Tag pro Monat ein. Sie ordneten jedoch an, dessen Beginn und die
nachherige jeweilige Ausübung seien vom Waisenamt zu bestimmen. Das
Waisenamt erhielt damit das Recht, dem Beklagten das Besuchsrecht
zu verweigern, zu gewähren und allenfalls wieder zu entziehen. Diese
Anordnung steht im Widerspruch zur gesetzlichen Vorschrift, wonach der
Richter das Besuchsrecht im Scheidungsurteil selbst zu ordnen hat. Sie
ist als bundesrechtswidrig aufzuheben.

    Nach den Ausführungen der Vorinstanz waren die Besuche des Vaters bei
den Kindern oft mit starken psychischen Belastungen verbunden, die nur
schwer zu überwinden seien. Zum Schutze des seelischen Wohles der Kinder
erachtete das Obergericht es daher als angezeigt, es einer neutralen und
fachkundigen Amtsstelle zu überlassen, ab wann und in welcher Form der
Beklagte sein Besuchsrecht ausüben dürfe. Angesichts dieser Feststellungen
erachtet sich das Bundesgericht als mit den massgebenden Verhältnissen
zuwenig vertraut, um die Regelung des Besuchsrechtes selbst treffen
zu können. Dem angefochtenen Entscheid lässt sich insbesondere nicht
entnehmen, ob dem Beklagten das Besuchsrecht, allenfalls unter bestimmten
Auflagen, bereits jetzt oder erst ab einem im Urteil zu bestimmenden
Zeitpunkt gewährt werden kann oder ob es ihm gänzlich zu verweigern ist
(vgl. BGE 89 II 5 ff). Die Sache ist infolgedessen zu neuer Entscheidung
über das Besuchsrecht an die Vorinstanz zurückzuweisen.