Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 II 285



100 II 285

41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1974 i.S. Keller gegen
Herzog. Regeste

    Begriff des Endentscheides; Art. 48 Abs. 1 OG

    Gegen den letztinstanzlichen Entscheid, der ein Befehlsbegehren in
Anwendung von § 292 Ziff. 1 der zürcherischen Zivilprozessordnung schützt,
ist die Berufung zulässig (Erw. 1).

    Namensrecht

    Der geschiedene Ehemann kann verlangen, dass seine unter die elterliche
Gewalt der Mutter gestellten unmündigen Kinder keinen andern Namen als
den seinen führen, solange die zuständige Behörde nicht aus wichtigen
Gründen eine Namensänderung bewilligt hat (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Ruth Keller war in früherer Ehe mit Hans Emil Herzog
verheiratet. Mit Urteil vom 5. Juni 1973 hatte das Bezirksgericht Zürich
diese Ehe geschieden und die daraus hervorgegangenen Kinder Peter Hans,
geb. am 28. März 1963, und Robert Ernst, geb. am 14. Juni 1966, unter
die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Seit dem 17. August 1973 ist
Ruth Keller mit Siegfried Keller verheiratet. Seither gibt sie den Namen
der Kinder mit "Keller" an. Auf ihr Gesuch hin werden die Kinder auch in
der Schule mit diesem Namen genannt.

    B.- Hans Emil Herzog stellte am 20. November 1973 beim Einzelrichter im
summarischen Verfahren des Bezirkes Bülach das Begehren, es sei Ruth Keller
unter Androhung von Ordnungsbusse und Überweisung an den Strafrichter im
Unterlassungsfall zu befehlen, die beiden Kinder ausschliesslich unter
dem Namen "Herzog" zu erziehen. Mit Verfügung vom 19. Dezember 1973
wurde das Begehren wegen Illiquidität abgewiesen.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hiess einen vom Kläger gegen diese
Verfügung eingereichten Rekurs teilweise gut und befahl der Beklagten
mit Beschluss vom 28. März 1974 unter Androhung von Ordnungsbusse im
Widerhandlungsfall, den Familiennamen der Kinder Peter Hans und Robert
Ernst "im Sinne der Erwägungen Ziff. 4" mit "Herzog" anzugeben.

    C.- Hiegegen reichte die Beklagte sowohl Nichtigkeitsbeschwerde
an das Kassationsgericht des Kantons Zürich als auch Berufung an das
Bundesgericht ein, diese mit dem Antrag, das Begehren des Klägers sei
in Aufhebung des angefochtenen Entscheids abzuweisen. Mit Beschluss vom
25. Juni 1974 wies das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab,
soweit es darauf eintrat.

    Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 48 Abs. 1 OG ist die Berufung in der Regel erst gegen
Endentscheide zulässig. Ein solcher Entscheid liegt nach der Rechtsprechung
nur vor, wenn der kantonale Richter den streitigen Anspruch materiell
beurteilt oder dessen Beurteilung aus einem Grunde abgelehnt hat, der
endgültig verbietet,. dass der gleiche Anspruch zwischen den gleichen
Parteien nochmals geltend gemacht wird (BGE 98 II 154/155 mit Hinweisen).

    Der angefochtene Entscheid erging in Anwendung von § 292 Ziff. 1
der zürcherischen Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Bestimmung
ist "zur schnellen Handhabung klaren Rechts bei nicht streitigen oder
sofort herstellbaren tatsächlichen Verhältnissen" das Befehlsverfahren
zulässig. Dabei handelt es sich um eine Unterart des summarischen
Verfahrens. Gemäss § 105 ZPO sind Verfügungen im summarischen Verfahren,
mit denen über einen Anspruch entschieden worden ist, nur für ein späteres
summarisches Verfahren massgebend. Der Richter im ordentlichen Verfahren
ist daran nicht gebunden (STRÄULI/HAUSER, N. 1 zu § 105 ZPO; GULDENER,
Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 483 ff., insbesondere
486). Eine im summarischen Verfahren beurteilte Sache kann daher dem
ordentlichen Richter neuerdings zum Entscheid unterbreitet werden (so
ausdrücklich STRÄULI/HAUSER, aaO). GULDENER hat daraus gefolgert, dass
die Entscheidung im summarischen Verfahren nur vorläufigen Charakter
trage und zu einer Art einstweiliger Verfügung werde, bleibe doch der
Entscheid des ordentlichen Richters vorbehalten (aaO S. 486).

    Mit Rücksicht auf diese beschränkte Rechtskraft der im zürcherischen
Befehlsverfahren ergangenen Entscheidungen hat das Bundesgericht deren
Berufungsfähigkeit früher verneint (BGE 81 II 85). Bereits in BGE
82 II 562/563 Erw. 3 wurde indessen die Berufung gegen Entscheide des
zürcherischen Obergerichtes gemäss § 292 Ziff. 1 ZPO als zulässig erklärt,
sofern es sich dabei nicht um vorläufige Massnahmen handle, gegenüber
welchen die Durchführung eines ordentlichen Verfahrens vorbehalten bleibe
(vgl. auch BGE 84 II 78 ff. Erw. 1b). In BGE 90 II 463 Erw. 1 wird der
endgültige Charakter solcher Entscheide unter Hinweis auf BGE 82 II 562
wiederum bejaht, sofern darin kein Vorbehalt des ordentlichen Verfahrens
enthalten sei. In BGE 94 II 108 Erw. 1b spricht das Bundesgericht
bereits von einer ständigen Rechtsprechung, wonach Entscheide im
zürcherischen Befehlsverfahren, durch die ein Befehlsbegehren über einen
vom Bundeszivilrecht beherrschten Anspruch in Anwendung von § 292 Ziff. 1
ZPO geschützt worden sei, als berufungsfähige Endentscheide anerkannt
würden. Der endgültige Charakter der Entscheidung wird vom Bundesgericht
indessen nach wie vor verneint, wenn ein Begehren im Befehlsverfahren
nicht gutgeheissen, sondern abgewiesen wird; denn in diesem Falle
stehe es dem Kläger frei, seinen Anspruch im ordentlichen Verfahren
erneut geltend zu machen (BGE 93 II 285 Erw. 2; nicht veröffentlichtes
Urteil des Bundesgerichts vom 6. Oktober 1972 in Sachen Schweizerische
Treuhandgesellschaft gegen Fides Treuhand-Vereinigung).

    Diese neuere Rechtsprechung entspricht bei strenger Betrachtungsweise
der Definition des Endentscheids nicht. Denn nicht nur die ein
Befehlsbegehren abweisende, sondern auch die gutheissende Entscheidung
lässt die spätere Anrufung des ordentlichen Richters offen, erwächst
also insofern nicht in materielle Rechtskraft (HASLER, SJZ 1972
S. 132; GULDENER, aaO S. 486). Auch in diesem Falle ist demnach
über den streitigen Anspruch nicht endgültig entschieden. An der
bisherigen Praxis ist indessen - schon aus Gründen der Rechtssicherheit -
festzuhalten. Der Begriff des Endentscheids im Sinne von Art. 48 OG wurde
in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts auch in anderer Hinsicht
extensiv ausgelegt. So wurde in BGE 98 II 154ff. das eine Klage wegen
Rechtshängigkeit zurückweisende Urteil als Endentscheid betrachtet,
obwohl der Kläger durch ein solches Urteil oft nur vorübergehend an
der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert wird. Es liegt in der
Linie dieser Rechtsprechung, einem Beklagten, der im zürcherischen
Befehlsverfahren letztinstanzlich zu einem bestimmten Verhalten
verpflichtet worden ist, den Weg der Berufung ans Bundesgericht zu
öffnen. Auch wenn ihm die Möglichkeit vorbehalten bleibt, die gleiche
Frage später dem ordentlichen Richter zum Entscheid zu unterbreiten,
so wird die ihm auferlegte Verpflichtung in der Regel doch während
längerer Zeit ihre Wirkungen entfalten; sie kann sogar Gegenstand von
Vollstreckungsmassnahmen bilden. So muss sich der im Befehlsverfahren
aus seiner Wohnung ausgewiesene Mieter gefallen lassen, ausgeschafft
zu werden, auch wenn er die Möglichkeit behält, beim ordentlichen
Richter auf Rückerstattung der Wohnung oder auf Schadenersatz zu klagen
(GULDENER, aaO S. 486). Mit Rücksicht auf diese Auswirkungen der ein
Befehlsbegehren gutheissenden Entscheidung lässt es sich verantworten,
die Berufungsfähigkeit solcher Entscheide jedenfalls dann zu bejahen,
wenn diese nicht zwangsläufig zu einem ordentlichen Verfahren Anlass geben
(wie dies bei den vorsorglichen Massnahmen der Fall ist), sondern in der
Regel für längere Zeit oder sogar endgültig Recht schaffen.

    Auf die Berufung ist daher einzutreten. Dabei beschränkt sich die
Kognition des Bundesgerichts selbstverständlich auf die Prüfung der
richtigen Anwendung des Bundesrechts und erstreckt sich nicht auch auf
die Frage der Liquidität im Sinne von § 292 Ziff. 1 ZPO (vgl. dazu HASLER,
SJZ 1972 S. 383 in fine).

Erwägung 2

    2.- In materieller Hinsicht erweist sich die Berufung ohne Zweifel
als unbegründet. Nach Rechtsprechung und Lehre hat der geschiedene Mann
ein schützenswertes Interesse daran, dass seine unter die elterliche
Gewalt der Mutter gestellten unmündigen Kinder keinen andern Namen als
den seinen führen, dies jedenfalls solange, als die zuständige Behörde
nicht aus wichtigen Gründen eine Namensänderung bewilligt hat (BGE 97
I 621/622 Erw. 3, 76 II 339/340 und 342 Erw. 2; EGGER, N. 14 zu Art. 29
ZGB; HEGNAUER, N. 11 zu Art. 270 ZGB). Das Gegenteil kann entgegen den
Ausführungen in der Berufungsschrift nicht etwa daraus abgeleitet werden,
dass einem solchen Mann kein Recht darauf zusteht, die Namensänderung
der Kinder gemäss Art. 30 Abs. 3 ZGB gerichtlich anzufechten. Das
ist vielmehr eine Folge der gesetzlichen Ordnung, die ein Klagerecht
nur gegen die Anmassung, nicht aber zur Verhinderung der Preisgabe des
Namens gewährt (BGE 76 II 341). Ob die Interessen der Kinder, den Namen
ihres Vaters aufgeben und einen andern Familiennamen annehmen zu können,
überwiegen, hat nicht der Richter zu entscheiden, sondern die gemäss
Art. 30 Abs. 1 ZGB zuständige Heimatbehörde. Dem Entscheid dieser Behörde
darf nicht vorgegriffen werden. Das wäre jedoch der Fall, wenn sich das
Gericht auf eine Interessenabwägung einliesse. Vorbehalten werden mag
eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Rechts auf Führung des
väterlichen Familiennamens. Die Vorinstanz hat indessen das Vorliegen
eines Rechtsmissbrauchs verneint, und in der Berufungsschrift wird nichts
vorgetragen, was zu einer andern Beurteilung Anlass gäbe. Verweisungen
auf andere Rechtsschriften sind nach konstanter Praxis unbeachtlich
(BGE 97 II 163 Erw. 1, 92 II 67, 89 II 414).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichts (II.
Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 28. März 1974 bestätigt.