Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 III 41



100 III 41

12. Entscheid vom 7. August 1974 i.S. Kellenberger AG. Regeste

    Mehrere Betreibungen für die gleiche Forderung.

    Eine weitere Betreibung für eine bereits in Betreibung gesetzte
Forderung ist nur dann nicht zulässig, falls der Gläubiger im frühern
Betreibungsverfahren das Fortsetzungsbegehren bereits gestellt hat oder
zu stellen berechtigt ist.

Sachverhalt

    Am 11. März 1974 betrieb die Firma Trapani Rosa S.p.A., Cologno
Monzese, die Firma Kellenberger AG, Thun, für den Betrag von Fr. 24363.--
nebst Zins zu 6% seit 31. Dezember 1973. Die Gläubigerin stützte ihre
Forderung auf einen von der Firma Kellenberger AG akzeptierten Wechsel
in der Höhe des in Betreibung gesetzten Betrages. Die Firma Kellenberger
AG erhob Rechtsvorschlag.

    Am 19. Juni 1974 leitete die Firma Trapani Rosa S.p.A. gegen die
Firma Kellenberger AG für die gleiche Forderung Wechselbetreibung
ein. Die Firma Kellenberger AG reichte gegen die zweite Betreibung bei
der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton
Bern Beschwerde ein. Sie beantragte, es sei. der Zahlungsbefehl in der
Wechselbetreibung aufzuheben. Zur Begründung machte sie im wesentlichen
geltend, die Wechselbetreibung sei unzulässig, weil die ordentliche
Betreibung auf Konkurs vorher nicht zurückgezogen worden sei.

    Gleichzeitig suchte sie beim Richter um Bewilligung des
Rechtsvorschlages nach.

    Gegen das die Beschwerde abweisende Urteil der Aufsichtsbehörde hat
die Firma Kellenberger AG beim Bundesgericht Rekurs eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Das Bundesgericht hatte sich bisher verschiedentlich darüber
auszusprechen, ob es zulässig sei, für die gleiche Forderung zwei oder
mehr Betreibungen einzuleiten. Dabei entschied es, dass der Schuldner
sich einem neuen Zahlungsbefehl für eine bereits in Betreibung gesetzte
Forderung durch Rechtsvorschlag (BGE 88 III 66 mit Hinweisen) und bei
feststehender und unbestrittener Identität der Forderungen auch mit
Beschwerde widersetzen könne (BGE 88 III 66 und 69 III 72). Auf diese
Weise ist es möglich zu verhindern, dass ein Gläubiger für dieselbe
Forderung zur gleichen Zeit mehrmals auf das schuldnerische Vermögen
greifen kann. Eine nähere Prüfung der bisher beurteilten Fälle (BGE 88 III
66, 69 III 71/72, 67 III 114/115, 39 I 471, 26 I 514 ff. sowie Entscheid
des Bundesrates i.S. Dubois vom 30. Dezember 1895, publ. in Archiv für
Schuldbetreibung und Konkurs, 1896, S. 354) lässt indessen erkennen,
dass eine weitere Betreibung für die nämliche Forderung jeweils nur dann
nicht zugelassen wird, wenn der Gläubiger im früheren Betreibungsverfahren
das Fortsetzungsbegehren bereits gestellt hat oder zu stellen berechtigt
ist. Nur in diesen Fallen entsteht denn auch ernsthaft die Gefahr der
mehrmaligen Vollstreckung in das schuldnerische Vermögen. Ist die frühere
Betreibung aber durch Rechtsvorschlag gehemmt oder wegen Verzichts des
Gläubigers hinfällig geworden, so besteht kein Anlass, den Gläubiger daran
zu hindern, für die gleiche Forderung eine neue Betreibung einzuleiten.

    Stehen dem Gläubiger von Gesetzes wegen zwei verschiedene
Betreibungsarten zur Verfügung, so muss es ihm unter den erwähnten
Voraussetzungen nicht bloss gestattet sein, eine neue Betreibung anzuheben,
sondern es muss ihm auch freistehen, die andere Betreibungsart zu wählen,
da das Wahlrecht durch die frühere Wahl nicht konsumiert wird (vgl. hiezu
BGE 67 III 114/115 und 39 I 471).

    Dem Schuldner entsteht im übrigen kein Nachteil, wenn dem Gläubiger
die Möglichkeit zugestanden wird, für die nämliche Forderung mehrere
Betreibungen anzuheben. Das Gesetz schützt nämlich den Betriebenen,
der seine Schuld bezahlt hat, davor, den in Betreibung gesetzten Betrag
nochmals bezahlen zu müssen, indem es ihm die Möglichkeit gibt, die
Forderung mit Rechtsvorschlag zu bestreiten oder gemäss Art. 85 SchKG
die Aufhebung der Betreibung zu verlangen. Hat er dagegen die Schuld
noch nicht bezahlt und ist ein Betreibungsverfahren bereits bis zu jenem
Stadium fortgeführt, in welchem der Gläubiger das Fortsetzungsbegehren
stellen kann, so kann er sich einem neuen Zahlungsbefehl für dieselbe
Forderung durch Rechtsvorschlag und bei feststehender und unbestrittener
Identität der Forderungen auch mit Beschwerde widersetzen.

    Im vorliegenden Fall stand es der Gläubigerin somit frei, die
Wechselbetreibung einzuleiten, nachdem die Schuldnerin die ordentliche
Betreibung durch Rechtsvorschlag gehemmt hatte.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.