Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IB 306



100 Ib 306

52. Auszug aus dem Urteil vom 11. Oktober 1974 in Sachen Zanchi-Vins SA
gegen Regierungsrat des Kantons Zürich. Regeste

    Lebensmittelpolizei (Art. 8 LMG):

    Da die Lebensmittelpolizei vom Bundesgesetzgeber als eine grundsätzlich
gebührenfreie Verwaltungstätigkeit verstanden wird, ist es nach Art. 8
Abs. 2 LMG ausgeschlossen, dass ein Kanton für die mit der Untersuchung
einer amtlichen Probe unmittelbar zusammenhängenden Umtriebe irgendwelche
Geldleistungen verlangt.

Sachverhalt

    Die Firma Zanchi-Vins SA lieferte einer Essigfabrik in Winterthur
einen Posten "Maltawein". Die Lieferung wurde vom Kantonschemiker Zürich
vor der Übernahme und Verzollung analysiert und nicht beanstandet. In
der Folge sandten die Zollorgane eine Probe des selben Weines an das
kantonale Laboratorium zur lebensmittelpolizeilichen Überprüfung. Die
zweite amtliche Untersuchung führte zum Befund, es handle sich um
Kunstwein. Die Kosten dieser Untersuchung wurden der Firma Zanchi-Vins
SA überbunden. Diese rekurrierte an den Regierungsrat. Das Ergebnis
der Untersuchung beanstandete sie nicht, dagegen die Auferlegung der
Verfahrenskosten. Der Regierungsrat wies die Beschwerde ab. Gegen seinen
Entscheid richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche vom
Bundesgericht gutgeheissen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- In der Vernehmlassung des Eidgenössischen Departements des Innern
wird die Erhebung von Kosten bei einer Untersuchung, die nicht zu einer
Bestrafung führt, als fragwürdig bezeichnet. Obschon in der Beschwerde
das Problem der Zulässigkeit kantonalrechtlicher Gebühren im Bereich der
Lebensmittelpolizei nicht aufgeworfen wird, hat das Bundesgericht von
Amtes wegen zu prüfen, ob eine Kostenbelastung nicht durch das Bundesrecht
grundsätzlich ausgeschlossen ist.

    a) Gemäss Art. 8 Abs. 2 LMG erfolgt die Untersuchung der von
den Aufsichtsorganen amtlich übermittelten Proben unentgeltlich. Von
dieser zwingend vorgeschriebenen Unentgeltlichkeit gibt es zwei im
Gesetz normierte Ausnahmen: Gemäss Art. 19 LMG sind die Kosten einer
Oberexpertise, die zuungunsten des Einsprechers ausfällt, demselben
ganz oder teilweise aufzuerlegen. Kommt es zu einer strafrechtlichen
Verurteilung, so hat der Verurteilte die Kosten der technischen
Untersuchung zu tragen (Art. 48 LMG).

    b) Die Lebensmittelkontrolle ist somit grundsätzlich gebührenfrei. Das
wurde seinerzeit in der Botschaft des Bundesrates mit dem knappen
Hinweis begründet, die ausgeübte amtliche Kontrolle erfolge im Interesse
des Publikums und nicht oder nur indirekt im Interesse des Verkäufers
(BBl 1899 I 620 oben; vgl. auch BGE 92 I 169). Im Laufe der Jahre wurde
offenbar in einzelnen Kantonen versucht, das bundesrechtliche Gebot der
Gebührenfreiheit zu umgehen, indem man etwa Ausfertigungsgebühren für
den Bericht über die an sich unentgeltliche Untersuchung vorsah oder
gebührenpflichtige Verwarnungen einführte. Von den eidgenössischen
Behörden wurde mit Recht stets am klaren gesetzlichen Grundsatz der
Unentgeltlichkeit festgehalten (vgl. BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht,
Bd. III Nr. 1232 I).

    c) Im angefochtenen Entscheid wird anerkannt, dass im vorliegenden
Fall die Kosten der technischen Untersuchung gemäss Art. 8 und
48 LMG nicht der Beschwerdeführerin auferlegt werden dürfen, weil
die Beanstandung nicht eine strafrechtliche Verurteilung zur Folge
hatte. Der Regierungsrat nimmt jedoch an, gestützt auf § 43 der kantonalen
Vollzugsverordnung zur Bundesgesetzgebung über die Lebensmittel und § 2
der Gebührenordnung für Verwaltungsbehörden sei es möglich, die Kosten der
"sonst entstandenen Umtriebe" (abgesehen von der technischen Untersuchung)
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Als ein solches kostenverursachendes
Element wird lediglich die Tätigkeit des Lebensmittelinspektors
genannt. Wenn schon die kostenintensive technische Untersuchung aus
den angeführten Gründen unentgeltlich erklärt worden ist, dann wollte
der Bundesgesetzgeber damit die grundsätzliche Gebührenfreiheit der
amtlichen Lebensmittelkontrolle statuieren. Art. 8 Abs. 2 LMG enthält
nicht einen impliziten Vorbehalt, wonach die Kantone für irgendwelche
sekundäre Hilfsfunktionen, die mit der Untersuchung der amtlichen
Probe eng zusammenhängen - wie die bereits erwähnte Ausfertigung des
Analysenberichtes oder die Entnahme der Probe -, doch eine Gebühr sollen
erheben dürfen. Die Vorschrift wurde auch bisher von den Bundesbehörden
nie in diesem Sinne ausgelegt (vgl. BURCKHARDT, Bundesrecht aaO). Wenn
die Lebensmittelpolizei vom Bundesgesetzgeber als eine der Allgemeinheit
dienende und daher grundsätzlich gebührenfreie Verwaltungstätigkeit
verstanden wird, dann ist es gemäss Art. 8 Abs. 2 LMG ausgeschlossen, dass
ein Kanton für die mit der Untersuchung einer amtlichen Probe unmittelbar
zusammenhängenden Umtriebe, welche wesensgemäss zur gebührenfreien
Lebensmittelkontrolle gehören, doch irgendwelche Geldleistungen verlangt.

    Im vorliegenden Fall wird nicht behauptet, dass dem Kanton durch
die Beschaffung und Untersuchung der Probe irgendwelche besondere,
von der Beschwerdeführerin verursachte Aufwendungen entstanden
seien. Der Kantonschemiker hat mit der vom Regierungsrat geschützten
Verfügung versucht, mindestens einen Teil der Kosten einer gewöhnlichen
lebensmittelpolizeilichen Kontrolle der nach seiner Auffassung fehlbaren,
aber nicht strafbaren Lieferantin aufzuerlegen. Dieses Vorgehen
verstösst gegen Art. 8 Abs. 2 LMG und die angefochtene Verpflichtung zur
Kostentragung ist daher aufzuheben. Damit entfällt folgerichtig auch
die Belastung der Beschwerdeführerin mit den Kosten des Verfahrens vor
dem Regierungsrat.