Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 100 IA 231



100 Ia 231

33. Urteil vom 13. März 1974 i.S. Kallenberger und Mitbeteiligte gegen
Stadtrat von Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 85 lit. a OG. Ungültigerklärung einer kommunalen Volksinitiative
wegen materieller Unvereinbarkeit mit dem kantonalen Recht.

    1.  Wieweit muss die Behörde beim Entscheid über die Gültigkeit
einer kommunalen Initiative berücksichtigen, dass deren materielle
Widerrechtlichkeit durch Annahme eines gleichzeitig eingereichten
kantonalen Volksbegehrens dahinfallen könnte? (Erw. 2).

    2.  Die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich sind eine zur
Eigenwirtschaftlichkeit verpflichtete "produktive Unternehmung" im
Sinne von § 129 des kantonalen Gemeindegesetzes. Die stadtzürcherische
"Gratistram-Initiative", mit welcher ein grundsätzlicher Verzicht auf
die Erhebung von Benützungsgebühren gefordert wurde, durfte daher wegen
Unvereinbarkeit mit dem kantonalen Recht für ungültig erklärt werden
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 21. April 1972 reichte die "Progressive Planungsgruppe Zürich"
(PPZ) bei der Stadtkanzlei Zürich eine kommunale Initiative ein, wonach die
Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) die Fahrgäste grundsätzlich gratis
befördern sollten (sog. "Gratistram-Initiative"). Das Initiativbegehren
lautete wie folgt:

    "Ergänzung von Artikel 109 der (stadtzürcherischen) Gemeindeordnung:

    Die Verkehrsbetriebe erheben von den Benützern keine Taxen.

    Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen zulässig für Benützer, die nicht in
der Gemeinde wohnhaft sind, und für Linien ausserhalb des Gemeindegebietes,
sofern die interessierten Vorortsgemeinden oder der Kanton sich nicht
angemessen an der Deckung des Taxausfalles beteiligen. Hierüber entscheidet
der Gemeinderat."

    Das Initiativbegehren war von 6104 Stimmbürgern gültig unterzeichnet,
womit die erforderliche Zahl von 4000 Unterschriften erreicht war. Der
Stadtrat von Zürich stellte indessen dem Gemeinderat den Antrag, die
Initiative als ungültig zu erklären, da sie inhaltlich gegen § 129 des
kantonalen Gesetzes über das Gemeindewesen vom 6. Juni 1926 (GG) verstosse.
Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

    "3. Produktive Unternehmungen

    § 129. Ausgaben für produktive Unternehmungen sollen aus den
Betriebsergebnissen verzinst und der Natur der Unternehmung entsprechend
amortisiert werden.

    Ausnahmen sind nur zulässig, wenn das allgemeine Interesse den Betrieb
der betreffenden Unternehmung erfordert, ihre vollständige Verzinsung
und Amortisation aber die Erhebung übermässig hoher Gebühren notwendig
machen würden.

    Gemeinden, die für produktive Unternehmungen Aufwendungen gemacht
haben, die sich aus dem Ertrag dieser Unternehmungen nicht verzinsen und
planmässig amortisieren lassen, haben den entsprechenden Ausfall durch
jährliche Beiträge aus den laufenden Einnahmen der Gemeinde zu decken.

    Über die produktiven Unternehmungen wird jährlich eine besondere
Rechnung nach einem von der Direktion des Innern festgesetzten oder
genehmigten Formular erstellt."

    In der Begründung seines Antrages führte der Stadtrat aus, nach § 4
Abs. 2 des Gesetzes über das Vorschlagsrecht des Volkes in Verbindung mit §
98 GG sei eine Gemeindeinitiative als ungültig zu erklären, wenn sie gegen
kantonales Recht verstosse. Dies sei hier der Fall. Die VBZ gehörten zu den
sogenannten produktiven Unternehmen, und für solche schreibe § 129 GG vor,
dass ihre Ausgaben aus den Betriebsergebnissen verzinst und amortisiert
werden müssten. Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur zulässig, wenn
die zu erhebenden Gebühren sonst übermässig wären. Auch wenn man darüber
diskutieren könne, was unter "übermässig hohen Gebühren" zu verstehen sei,
so sei doch klar, dass ein Verzicht auf jegliche Gebühr, wie er mit der
Initiative verlangt werde, mit § 129 GG nicht vereinbar wäre. Der Stadtrat
berief sich dabei auf ein Rechtsgutachten, das Dr. Oskar Bosshardt am 23.
Dezember 1971 dem Vorstand der Industriellen Betriebe der Stadt Zürich
erstattet hatte (publiziert in ZBl 1972, S. 129-142).

    Der Gemeinderat folgte mit Beschluss vom 28. Juni 1972 dem Antrag
des Stadtrates. Von den 111 anwesenden Ratsmitgliedern stimmten 74 für
die Ungültigerklärung der Initiative, womit die vom Gesetz verlangte
Zweidrittelmehrheit erreicht war.

    B.- Gleichzeitig mit der kommunalen Initiative hatte die PPZ am
21. April 1972 beim Büro des Kantonsrates eine kantonale Initiative
eingereicht. Danach sollte § 129 Abs. 2 GG folgende neue Fassung erhalten:

    "Gemeinden können im höheren Allgemeininteresse, insbesondere aus
Gründen des Umweltschutzes und der Siedlungsplanung, beschliessen, auf
kostendeckende Taxen ganz oder teilweise zu verzichten."

    Der Regierungsrat stellte am 17. Mai 1972 fest, dass diese kantonale
"Volksinitiative zur staatlichen Förderung des Umweltschutzes" mit 5290
gültigen Unterschriften zustandegekommen sei. Der Kantonsrat ordnete in
der Folge eine Volksabstimmung an, wobei er, ebenso wie der Regierungsrat,
dem Stimmbürger die Ablehnung der Initiative empfahl. Die Abstimmung
findet demnächst statt.

    C.- Die Initianten fochten den Beschluss des Gemeinderates der Stadt
Zürich, mit dem die kommunale "Gratistram-Initiative" als ungültig erklärt
worden war, ohne Erfolg beim Bezirksrat Zürich an. Ein gegen den Entscheid
des Bezirksrates eingereichter Rekurs wurde vom Regierungsrat des Kantons
Zürich am 26. September 1973 abgewiesen.

    D.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates führt Werner Kallenberger
für sich und im Namen des "Initiativkomitees Gratistram" der PPZ am
1. November 1973 staatsrechtliche Beschwerde. Er stellt den Antrag, es
sei der Entscheid des Regierungsrates vom 26. September 1973 aufzuheben;
es sei der staatsrechtlichen Beschwerde "aufschiebende Wirkung" zu
gewähren, bis über die hängige kantonale Initiative abgestimmt worden
sei; hernach sei die Gemeindeinitiative den Stimmberechtigten der Stadt
Zürich zur Abstimmung zu unterbreiten. Die Beschwerdeführer werfen den
kantonalen Behörden vor, zu Unrecht angenommen zu haben, dass die kommunale
Initiative dem heute geltenden § 129 GG widerspreche. Dadurch seien sie in
ihrem Stimmrecht verletzt worden. Der Gemeinderat der Stadt Zürich hätte
allenfalls mit der Behandlung der kommunalen Initiative zuwarten müssen,
bis über die gleichzeitig eingereichte kantonale Initiative betreffend
Änderung von § 129 GG abgestimmt worden sei.

    E.- Das Begehren um aufschiebende Wirkung wurde vom Präsidenten der
staatsrechtlichen Kammer mit Verfügung vom 6. Dezember 1973 abgewiesen.

    F.- Die Direktion des Innern des Kantons Zürich beantragt namens des
Regierungsrates Abweisung der Beschwerde. Der Stadtrat von Zürich stellt
ebenfalls den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Die Beschwerdeführer rügen, dass die Ungültigerklärung der
Gratistram-Initiative sie in ihrem Stimmrecht verletze und das Vorgehen
der zürcherischen Behörden willkürlich sei. Sie erheben damit eine
Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG. Zu den politischen Rechten,
deren Verletzung gestützt auf Art. 85 lit. a OG gerügt werden kann, gehört
auch das Initiativrecht (BGE 97 I 895; 94 I 124 E. 1a, mit Hinweisen),
und zwar in kantonalen wie in kommunalen Angelegenheiten (BGE 98 Ia 69
E. 1; 94 I 124 E. 1a).

    b) Der Beschwerdeführer Werner Kallenberger ist als stimmberechtigter
Einwohner der Stadt Zürich ohne weiteres legitimiert, den Entscheid des
Regierungsrates, mit dem die Ungültigerklärung der stadtzürcherischen
Gratistram-Initiative letztinstanzlich geschützt wurde, gestützt auf
Art. 85 lit. a OG anzufechten (BGE 99 Ia 180, 201, 211; 98 Ia 640; 97 I
823). Wie es sich mit der Legitimation des ebenfalls beschwerdeführenden
"Initiativkomitees Gratistram der Progressiven Planungsgruppe Zürich"
verhält, braucht nicht geprüft zu werden, da die Beschwerde ohnehin
materiell behandelt werden muss.

    c) Eine staatsrechtliche Beschwerde der vorliegenden Art
hat rein kassatorische Funktion (BGE 98 Ia 631 f, 609 E. 6, 69
E. 2). Soweit mehr verlangt wird als die Aufhebung des angefochtenen
Regierungsratsbeschlusses, ist die Beschwerde unzulässig.

Erwägung 2

    2.- a) Zunächst stellt sich die Frage, ob der Gemeinderat
der Stadt Zürich den Entscheid über die Gültigkeit der kommunalen
Gratistram-Initiative nicht hätte aussetzen sollen bis zur Abstimmung
über die kantonale Initiative, wenn er der Meinung war, dass die
kommunale Initiative inhaltlich gegen § 129 GG verstosse. Bekäme nämlich
diese Vorschrift durch Annahme des kantonalen Volksbegehrens die darin
vorgesehene neue Fassung, so wäre die behauptete Widerrechtlichkeit der
kommunalen Initiative nicht mehr gegeben und der von der Behörde geltend
gemachte Ungültigkeitsgrund fiele dahin. Da das Ergebnis der kantonalen
Volksabstimmung nicht abgewartet und die kommunale Gratistram-Initiative
ohne Rücksicht auf das andere hängige Volksbegehren aufgrund der geltenden
Fassung des § 129 GG für ungültig erklärt wurde, müssten vielleicht
die Initianten im Falle der Annahme des kantonalen Volksbegehrens zur
Verwirklichung ihres Vorhabens erneut eine kommunale Initiative einreichen
und hiezu nochmals die erforderlichen Unterschriften sammeln; der am
21. April 1972 eingereichten und bereits vor der kantonalen Abstimmung
für ungültig erklärten Gratistram-Initiative würde die nachträgliche
Änderung der kantonalen Rechtsgrundlage insofern nichts mehr nützen.

    b) Die Beschwerdeführer stellten im bundesgerichtlichen Verfahren
das Gesuch, es sei der gegen den Regierungsratsentscheid eingereichten
staatsrechtlichen Beschwerde bis zur Abstimmung über die kantonale
Initiative "aufschiebende Wirkung" zu gewähren, womit offenbar gemeint
war, das Bundesgericht solle seinerseits erst zu diesem Zeitpunkt über
die Gültigkeit der Gratistram-Initiative befinden, um ein allfälliges
positives Ergebnis der kantonalen Abstimmung berücksichtigen zu können.
Dieses Begehren wurde mit Grund abgewiesen. Es war nicht nur prozessual
unzulässig, sondern auch von der Sache her gesehen nutzlos. Das
Bundesgericht hat im vorliegenden Verfahren nicht selbständig nochmals
darüber zu befinden, ob die Gratistram-Initiative gültig ist; es hat nur
zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid der kantonalen Behörde nach der
damals geltenden Rechtslage richtig war, und die Beantwortung dieser Frage
hängt nicht davon ab, wie die Abstimmung über das kantonale Volksbegehren
ausfallen wird. War es zulässig, dass die zürcherischen Behörden die
kommunale Initiative ohne Rücksicht auf das gleichzeitig eingereichte
kantonale Volksbegehren aufgrund der geltenden Rechtslage prüften und
für ungültig erklärten, dann muss die staatsrechtliche Beschwerde,
wie immer auch die kantonale Volksabstimmung ausfallen wird, abgewiesen
werden. Erweist sich indessen das Vorgehen der zürcherischen Behörden
rechtlich nicht als haltbar, sei es, weil die kommunale Initiative schon
nach der heutigen Fassung des § 129 GG inhaltlich nicht rechtswidrig
war, sei es, weil die Behörde den Entscheid über die Gültigkeit der
Initiative hätte aussetzen müssen, so erwächst den Beschwerdeführern
durch eine sofortige Behandlung der staatsrechtlichen Beschwerde kein
Nachteil. Die kantonale Behörde hätte in diesem Fall über die Gültigkeit
der Gratistram-Initiative nach Massgabe der bundesgerichtlichen Erwägungen
neu zu befinden, wobei dem Ergebnis der kantonalen Volksabstimmung
allenfalls Rechnung zu tragen wäre. Es brauchte diesbezüglich somit
keine vorsorgliche Verfügung zu ergehen, und auch eine Sistierung des
bundesgerichtlichen Verfahrens wäre überflüssig. Ob das Ergebnis der
kantonalen Volksabstimmung abgewartet werden musste oder nicht, ist
ausschliesslich eine Frage der materiellen Begründetheit der vorliegenden
Beschwerde.

    c) Dass die Initianten bei Einreichung der Gratistram-Initiative
eine vorgängige Behandlung der gleichzeitig dem Büro des Kantonsrates
eingereichten kantonalen Initiative verlangt hätten, wird in der
staatsrechtlichen Beschwerde nicht behauptet. Die Beschwerdeführer machen
lediglich geltend, das koordinierte Einreichen der beiden Initiativen habe
einen solchen Vorbehalt "impliziert". Bezirksrat und Regierungsrat haben
den Einwand, wonach mit der Behandlung der Gratistram-Initiative hätte
zugewartet werden müssen, abgelehnt. Der Bezirksrat führte aus, dass die
stadtzürcherischen Behörden an gesetzliche Fristen gebunden gewesen seien
und das verlangte Zuwarten rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre. Der
Regierungsrat lehnte die Rüge ab mit der Begründung, der Gemeinderat von
Zürich sei zum Zuwarten nicht verpflichtet gewesen; er habe sich bei der
materiellen Prüfung an das geltende Recht halten müssen und nicht an eine
Initiative, von der ungewiss sei, ob und wann sie Verbindlichkeit erlange.

    Es kann offen bleiben, wie es wäre, wenn die Initianten des kommunalen
Volksbegehrens ausdrücklich verlangt hätten, dass mit dessen Behandlung
bis zur Abstimmung über die kantonale Initiative zuzuwarten sei. Die
Fristen, welche das Gesetz für die Behandlung von Volksinitiativen
vorsieht, schützen in der Tat in erster Linie die Interessen der an
der Initiative beteiligten Stimmbürger. Es liesse sich die Auffassung
vertreten, dass die Mitglieder eines Initiativkomitees auf die Einhaltung
dieser Fristen verzichten können, sei es durch eine dahinlautende Klausel
im Initiativbegehren, sei es durch eine nachträgliche Erklärung, wenn
sie durch eine entsprechende Klausel der Initiative dazu ermächtigt sind.

    Die am 21. April 1972 eingereichte Gratistram-Initiative
enthielt indessen keine Klausel, durch die auf die Einhaltung der
gesetzlichen Fristen verzichtet worden wäre oder welche die Mitglieder
des Initiativkomitees ermächtigt hätte, nachträglich zu verlangen,
dass die Behandlung der Initiative verschoben werde. Die Initianten
haben denn auch weder bei Einreichung des Volksbegehrens noch im
darauffolgenden Verfahren vor den Gemeindebehörden je verlangt, dass
die Gratistram-Initiative allenfalls erst nach der Abstimmung über die
kantonale Initiative zu behandeln sei; ein solches Begehren wurde erstmals
im Rekurs an den Bezirksrat gestellt. Nach dem von den Beschwerdeführern
eingelegten Text nahm die Gratistram-Initiative, die übrigens auch keine
Rückzugsklausel enthielt, überhaupt nicht Bezug auf die gleichzeitig
eingereichte kantonale Initiative. Unter diesen Umständen handelten
die stadtzürcherischen Behörden nicht rechtswidrig, wenn sie über die
Gültigkeit der Gratistram-Initiative ohne Rücksicht auf das kantonale
Volksbegehren, d.h. nach Massgabe des geltenden kantonalen Rechtes
innerhalb der gesetzlichen Fristen entschieden, weshalb die Beschwerde
in diesem Punkt unbegründet ist.

Erwägung 3

    3.- Es bleibt zu prüfen, ob zu Recht angenommen werden durfte,
die Gratistram-Initiative verstosse inhaltlich gegen § 129 GG in seiner
heutigen Fassung. Vom soeben behandelten Einwand abgesehen, bestreiten
auch die Beschwerdeführer nicht ernsthaft, dass der Gemeinderat von
Zürich befugt war, die Gratistram-Initiative wegen Unvereinbarkeit
mit dem übergeordneten kantonalen Recht als ungültig zu erklären, wenn
die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich eine zur Eigenwirtschaftlichkeit
verpflichtete "produktive Unternehmung" im Sinne von §, 129 GG darstellen
(vgl. BGE 98 Ia 640, 96 I 646, 92 I 359 f).

    a) Bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG prüft das Bundesgericht die
Auslegung kantonaler Vorschriften, die den Umfang und Inhalt des Stimm- und
Wahlrechtes normieren oder mit diesem in einem engen Zusammenhang stehen,
grundsätzlich frei (BGE 99 Ia 181 E. 3 a, 55 E. 1, mit Hinweisen). Die
hier streitige Vorschrift des § 129 GG regelt keine Frage der politischen
Stimmberechtigung, sondern eine solche des kommunalen Haushalts- und
Gebührenrechtes. Von ihrer Auslegung hängt jedoch unmittelbar der Umfang
des Initiativrechtes der Beschwerdeführer ab, da die Gratistram-Initiative
wegen inhaltlicher Unvereinbarkeit mit dieser kantonalen Vorschrift für
ungültig erklärt worden ist. Das Bundesgericht prüft daher mit freier
Kognition, ob die Gratistram-Initiative wegen Verstosses gegen § 129 GG
der Volksabstimmung entzogen werden durfte (vgl. BGE 94 I 124 E. 2; ZBl
1966 S. 36; zum umgekehrten Fall, in dem gerügt wird, eine Initiative
werde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu Unrecht zur Abstimmung
gebracht, vgl. das Urteil vom 25. September 1973 i.S. Burkhalter und
Mitbeteiligte gegen Kantonsrat des Kantons Zürich, BGE 99 I a 731 E. 2).

    b) Der in § 129 GG verwendete Begriff der "produktiven Unternehmung"
ist nicht klar und bedarf daher der Auslegung. Diese muss aber zu einem
vernünftigen Ergebnis führen, das mit dem Zweck und dem übrigen Inhalt der
Vorschrift im Einklang steht. Mit § 129 GG wollte der kantonale Gesetzgeber
offensichtlich gewährleisten, dass kommunale Unternehmen, die nach der Art
ihrer Tätigkeit in der Lage sind, sich durch Gebührenerhebung wesentliche
Einkünfte zu verschaffen, nach Möglichkeit kostendeckend, d.h. ohne
Inanspruchnahme von Steuergeldern arbeiten, und dass sie jedenfalls nicht
ausschliesslich aus Steuergeldern finanziert werden. Das führt zu der im
Gutachten Bosshardt gezogenen Folgerung, wonach der in § 129 GG verwendete
Ausdruck "produktiv" im Sinne des Gemeindehaushaltsrechtes zu verstehen
ist und nichts anderes heisst als "erwerbswirtschaftlich, ertragsabwerfend
oder doch eigenwirtschaftlich". Die "produktive Unternehmung" steht damit,
wie im angefochtenen Entscheid richtig festgestellt wird, im Gegensatz
zur klassischen Verwaltung, deren Kosten durch Gebührenerhebung nur zum
geringsten Teil gedeckt werden können und die daher finanziell gesehen
unproduktiv ist. Eine solche Auslegung ist entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer nicht zu extensiv, sondern sie entspricht durchaus dem
Sinn der Vorschrift. Daraus, dass § 129 GG von "Unternehmung" spricht,
ergibt sich immerhin die Einschränkung, dass es sich um einen Betrieb
handeln muss, dessen Tätigkeit darin besteht, Güter herzustellen oder
zu verteilen oder wirtschaftliche Dienstleistungen zu erbringen; rein
administrative Betriebe fallen daher nicht unter § 129 GG, auch wenn
es ihnen bisweilen möglich ist, einen grossen Teil ihrer Kosten durch
Gebührenerhebung zu decken. Die Beschwerdeführer scheinen die Auffassung zu
vertreten, "produktiv" im Sinne vom § 129 GG seien nur Unternehmungen, die
Güter erzeugen oder verteilen, so z.B. die kommunalen Elektrizitätswerke
und andere Versorgungsbetriebe, nicht aber Betriebe, deren Tätigkeit
nur im Erbringen von Dienstleistungen bestehe. Der Regierungsrat hat
eine solche Auslegung zu Recht abgelehnt. Es wäre nicht einzusehen,
weshalb der Gesetzgeber die von ihm in § 129 GG statuierte Regel einer
derartigen Einschränkung hätte unterwerfen wollen. Nach ihrem Zweck muss
sie gegebenenfalls auch für kommunale Dienstleistungsbetriebe Geltung
haben. Ebensowenig ginge es an, unter "produktiven Unternehmungen"
nur solche Unternehmen zu verstehen, die auf die Erzielung von Profit
ausgerichtet sind und von der Gemeinde ausschliesslich oder in erster
Linie aus fiskalischen Gründen betrieben werden. Einer derartigen Auslegung
stünde § 129 Abs. 2 GG entgegen, wonach bei Betrieben, die "im allgemeinen
Interesse" liegen, vom Prinzip der Selbstfinanzierung abgewichen werden
kann, sofern andernfalls übermässig hohe Gebühren notwendig wären. Daraus
folgt klarerweise, dass der Begriff der "produktiven Unternehmung" nicht
einen fiskalischen Zweck voraussetzt. Es ist in der Schweiz übrigens auch
nicht üblich, dass eine Gemeinde wie ein privater Unternehmer auftritt und
einen Betrieb führt, der ausschliesslich finanziellen Zwecken dient. Es
dürfte dem mutmasslichen Willen des kantonalen Gesetzgebers vielmehr
am ehesten entsprechen, jene kommunalen Unternehmungen als "produktiv"
im Sinne vom § 129 GG anzusehen, die nach der Art ihrer Tätigkeit in
der Lage sind, sich durch Gebührenerhebung wesentliche Einkünfte zu
verschaffen, und die sich normalerweise selber finanzieren. Nach dieser
Definition stellen auch die öffentlichen Transportbetriebe "produktive
Unternehmungen" dar. Überall in der Schweiz erheben derartige Betriebe
Benützungsgebühren, aus denen sie ihre Kosten zu einem erheblichen
Teil decken. Diese Art der Kostendeckung entspricht auch, wenigstens
nach herkömmlicher Anschauung, einem Gebot der Gerechtigkeit. Wenn auch
die Führung solcher Betriebe im öffentlichen Interesse liegt, so steht
doch fest, dass sie von den einzelnen Bürgern in sehr unterschiedlichem
Masse benützt werden, weshalb es unbillig wäre, sie ausschliesslich aus
Steuergeldern zu finanzieren. Diese Überlegung liegt der Vorschrift des §
129 GG ohne Zweifel zugrunde. Sie findet daher auch auf die VBZ - eine
unselbständige öffentliche Anstalt der Stadt Zürich - Anwendung.

    Was die Beschwerdeführer demgegenüber einwenden, dringt
nicht durch. Sie machen geltend, die kantonalen Behörden hätten
seinerzeit in den einschlägigen Verordnungen und Kreisschreiben als
Beispiele "produktiver Unternehmungen" namentlich Gas-, Wasser- und
Elektrizitätswerke sowie Schlachthöfe angeführt; von Verkehrsbetrieben
sei dabei nie die Rede gewesen. Das lässt sich u.a. wohl auch damit
erklären, dass die als Beispiele aufgezählten Gemeindebetriebe zahlreich
sind (oder waren), währenddem nur sehr wenige Gemeinden im Kanton ein
eigenes Transportunternehmen betreiben. Auch aus dem Umstand, dass der
Regierungsrat in § 17 seiner Verordnung vom 23. September 1915/24. November
1960 die Strassenbahnen von den Vorschriften über die Rechnungsstellung
für gewerbliche (= produktive) Gemeindebetriebe ausgenommen hat,
können die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dieser
Vorbehalt wurde deshalb gemacht, weil das Rechnungswesen konzessionierter
Bahnunternehmungen bundesrechtlichen Vorschriften untersteht (heute den
Art. 63-74 des eidg. Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957). Der
Vorbehalt in § 17 der erwähnten Verordnung spricht sogar gegen die
Auffassung der Beschwerdeführer; denn wenn die kommunalen Strassenbahnen
nicht als gewerbliche, d.h. produktive Unternehmungen im Sinne von §
129 GG angesehen worden wären, hätte kein Anlass bestanden, sie von den
Vorschriften, welche die Verordnung in den vorangehenden Bestimmungen
über das Rechnungswesen gewerblicher Gemeindebetriebe aufgestellt hat,
ausdrücklich auszunehmen. Schliesslich fällt ins Gewicht, dass auch
METTLER in der kürzlich, aber noch vor Erstattung des Gutachtens Bosshardt
erschienenen zweiten Auflage seines Werkes "Das Zürcher Gemeindegesetz"
(1969, S. 352) die kommunalen Verkehrsbetriebe zu den produktiven
Unternehmungen gemäss § 129 GG rechnet.

    c) Im Sinne eines Eventualstandpunktes machen die Beschwerdeführer
schliesslich geltend, dass die VBZ selbst dann, wenn sie als
produktive Unternehmung anzusehen wären, nicht notwendigerweise mittels
Gebühren finanziert werden müssten. Nach § 129 Abs. 2 und 3 GG sei es
Unternehmungen, deren Betrieb im allgemeinen Interesse liege, gestattet,
tiefere Gebühren zu erheben, als zur Kostendeckung notwendig wäre. Wie
weit man dabei gehen dürfe, sei eine Frage des politischen Ermessens, über
die sich die Bürger der Stadt Zürich auf eine Initiative hin aussprechen
können müssten. Das ist an sich richtig; auch das Gutachten Bosshardt
kommt zum Schluss, dass die VBZ im Hinblick auf die ihnen obliegende
öffentliche Aufgabe gestützt auf § 129 Abs. 2 GG nötigenfalls vom
Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit abweichen dürfen. Doch ist der von
den Beschwerdeführern geforderte "Null-Tarif", d.h. ein grundsätzlicher
Verzicht auf die Erhebung von Benützungsgebühren, auch im Rahmen von §
129 Abs. 2 GG nicht möglich. Diese Bestimmung gestattet nur, anstelle der
"übermässig hohen Gebühren", die zur vollen Kostendeckung erforderlich
wären, angemessene tiefere Gebühren zu erheben; sie erlaubt nicht den
Verzicht auf jegliche Gebühren überhaupt. Wäre mit der fraglichen
Initiative vorgeschlagen worden, dass die Taxen auf einen gewissen
Betrag beschränkt werden oder dass die gesamten Gebühreneinnahmen
nur einen bestimmten Teil der Gesamtaufwendungen decken müssen, so
wäre das Volksbegehren mit § 129 GG wohl vereinbar gewesen. Hingegen
durfte mit Recht angenommen werden, ein grundsätzlicher Verzicht auf
Gebührenerhebung sei unzulässig, weshalb sich die Ungültigerklärung der
Gratistram-Initiative nicht beanstanden lässt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.